Mystischer Niederrhein – Teil 1: Historische Gerichtsstätten in Nettetal
Im neuen Jahr wird es wieder Zeit für eine neue Reihe. Nach „Besondere Wanderrouten“ und „Persönlichkeiten am Niederrhein“, die euch auch in diesem Jahr erhalten bleiben, möchte ich euch jetzt in die Welt des mystischen und geheimnisvollen Niederrheins entführen. Mein erster Weg führt mich nach Nettetal in die Hinsbecker Heide, genauer zu den historischen Gerichtsstätten mit dem gruseligen Galgenberg, an dem damals wochenlang die Gehängten zur Schau gestellt wurden… Bereit für ein bisschen Gänsehaut?
Der Startpunkt von meinem Fotografen Malte und mir ist der Parkplatz gegenüber der Jugendherberge Vierlinden an der Heide 1 in Nettetal. Der Rundweg dauert nur eine knappe Stunde und misst etwa 2,5 Kilometer ohne den Abstecher zu einem imposanten Aussichtsturm, aber dazu später mehr. Es handelt sich also eher um eine kleine Wanderroute bzw. einen ausgedehnten Spaziergang – perfekt, um etwa am Wochenende oder nach Feierabend ein paar Schritte zu sammeln und dabei mehr über den Niederrhein zu erfahren.
Erster Tipp: Kletterwald Niederrhein
Vom Parkplatz aus gehen wir eine Allee entlang und passieren links einen großen Spielplatz. Auf der rechten Seite seht ihr direkt den neuen Standort des Kletterwald Niederrhein, der aktuell bis zum 25. März Winterschlaf hat. Ich durfte den alten Standort in Viersen-Süchteln schon mal für euch besuchen und war begeistert von den unterschiedlichen Klettermodulen. Auch hier in Hinsbeck warten auf einer Fläche von über 20.000 Quadratmetern neun Parcours in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen mit insgesamt 125 Kletterelementen wie etwa Seilbahnen, Netzbrücken, Schaukeln & Co. mit Höhen von ein bis 15 Metern auf euch.
Die historischen Gerichtsstätten
Wir folgen jetzt allerdings der Allee weiter geradeaus, kommen an einem Hinweisschild zum Thema „Lebensraum Heide“ vorbei und erfahren auf diesem u.a. mehr über die verschiedenen Heidearten. Noch ein Stückchen weiter findet ihr auf der rechten Seite das erste Hinweisschild zur alten Gerichtsstätte Hinsbeck „Geer“. Diese wurde dem Herzogtum Geldern zugeordnet und als zweite Instanz nach dem Ortsgericht zuständig für die „Herrlichkeiten“ in Wankum, Herongen, Leuth, Hinsbeck und Lobberich. Bis ins 17. Jahrhundert wurde die Geer für Versammlungen und Gerichte unter freiem Himmel genutzt.
Vier Stationen umfasst die Gerichtstätte insgesamt, die wir nach und nach auf unserer kleinen Tour erkunden werden: der Gerichtsplatz, der Galgenberg, der Geestekul und die Schöffenschlucht. Dieses alte Kulturerbe sicht- und erlebbar gemacht, hat übrigens der Verkehrs- und Verschönerungsverein Hinsbeck im Rahmen der Euregio 2002+ mit der Landschaftsplanerin Maya Kohle.
Biegen wir hinter dem Schild rechts ab, sehen wir auch schon die erste Station auf einer hellen Lichtung – den Gerichtsplatz, der umrahmt ist von Sitzbänken. Ich habe fast das Gefühl, dass jeden Moment Richter und Besucher in alten Gewändern aus dem Wald kommen und hier Platz nehmen. Ein weiteres Schild erklärt die Geschichte und die Entstehung zu diesem besonderen Ort. Noch einen Moment lang, lasse ich das Szenario auf mich wirken, bevor es zur nächsten Station geht.
Der Galgenberg
Direkt geradeaus durch den Platz hindurch geht es zur nächsten Station in Richtung Galgenberg. Auch hier weist euch ein Hinweisschild den Weg durch einen schmalen und verschlungenen, dunklen Waldpfad. Das ist übrigens auch genau der gleiche Weg, den Verurteile zu ihrer Hinrichtung damals gehen mussten.
Nach ein paar weiteren Metern einfach rechts halten und schon gelangt ihr auf einer Kuppe an einer Hangkante über dem Nettedurchbruchstal zum Galgenberg bzw. -platz mit Sicht aus dem dunklen Kiefernwald in die Weite. Eine weitere Tafel informiert euch über die Hintergründe. Hier wurde nach dem Urteilsspruch das Urteil auch vollstreckt. Einfache Vergehen wurden mit einer Buße abgegolten, bei einer Gefahr für die Allgemeinheit wurde eine Verbannung ausgesprochen und bei einem schweren Versprechen erfolgte die Hinrichtung am Galgen. Die Gehängten ließ man damals wochenlang zur Abschreckung hängen und sah diese schon von Weitem. Die letzten Hinrichtungen sollen dort noch Ende des 18. Jahrhunderts erfolgt sein.
Heute soll dieser unheimliche Ort durch einen hellen Sandplatz auf der Lichtung dazu einladen, auf den Bänken Platz zu nehmen und den schönen Blick in die Umgebung zu genießen.
Der Geestekuhl
Durch das „Szenario“ hindurch geht es den Berg herunter zur dritten Station – dem Geestekuhl. Das Geisterloch macht seinem Namen übrigens alle Ehren. Hier höre ich seltsamer Weise fast gar keine Vögel, ab hier ist gespenstige Ruhe, nur der Wind raschelt in den Bäumen. Allein bei dem Gedanken, dass hier wochenlang Leichen hingen, lässt es mich eiskalt den Rücken runterlaufen.
Unten angekommen, geht ihr links weiter und die nächste Station Geestekuhl wartet samt Infoschild auf euch. Der Überlieferung nach wurden hier die Hingerichteten ins Moor, in die Geestekuhl, gelegt. Neu gestaltete Abschnitte erinnern an die Grabstätten und auch hier laden Bänke zum Verweilen ein, um die Flora und Fauna auf sich wirken zu lassen.
Die Schöffenschlucht
Ab hier erfahrt ihr durch einen Wegweiser, dass der nächste Stopp die Schöffenschlucht ist – unsere letzte Station. Seltsamerweise hört man ab hier auch wieder vereinzelt mehr Vögel zwitschern oder ich habe mich von diesem mystischen Ort vielleicht doch zu sehr mitreißen lassen. Ich bin gespannt, wie es euch ergeht.
An einer Weggabelung führt uns unser Weg also links den Berg wieder hinauf. An der Schlucht angekommen, erfahre ich auf der Tafel, dass hier früher das örtliche Gericht tagte und bei Bedarf Fälle an die höhere Instanz auf der Geer verwies. Auch ein großer Findling und Sitzmöglichkeiten direkt in der Schlucht machen diesen Ort zu einer kleinen Entdeckungs-, aber auch Ruhestation. Jetzt geht es leider nur noch wieder den Berg weiter hinauf in Richtung Ausgangspunkt.
Zweiter Tipp: Aussichtsturm Taubenberg
Bevor ihr den Schildern „Jugendherberge“ zurück zum Parkplatz folgt, könnt ihr noch einen Abstecher zum Aussichtsturm Taubenberg machen. Hierzu müsst ihr einfach den Wegweisern folgen und gelangt nach ein paar Metern zum 29 Meter hohen Turm. Auch wir waren neugierig und haben uns bis zur obersten Plattform gewagt, die sich übrigens 110 Meter über dem Meeresspiegel befindet. Ich hatte zwar wieder etwas mit meiner kleinen Höhenangst zu kämpfen, aber oben angekommen und nach einer kurzen Verschnaufpause, wurden wir mit einem atemberaubenden Blick belohnt. Kleine Tafeln, die am Gelände angebracht sind, dienen zur Orientierung und man kann nicht nur die Krickenbecker Seen sehen, sondern auch andere Ortschaften und sogar die benachbarten Niederlande. Wäre unsere Sicht klar gewesen, hätten wir sogar bis ins Ruhrgebiet blicken können.
Der Holzturm wurde übrigens 1970 schon erbaut und 2005 renoviert und um eine Stahlkonstruktion erweitert.
Von hier aus findet ihr den Weg ganz leicht wieder zur Jugendherberge wieder zurück.
Kleiner Hinweis am Ende: Bei schlechtem Wetter könnte die Wanderung bzw. der Spaziergang eine matschige Angelegenheit werden, aber ist trotzdem machbar. Einfach auf entsprechendes Schuhwerk achten.