Aktion Inklusion unterwegs – Barrierefreier Solegarten St. Jakob in Kevelaer
Der Solegarten St. Jakob mit einem Gradierwerk, einer Kneipp-Anlage mit Barfußpfad, einem Fitnessbereich und vielem mehr ist einer meiner Highlights in Kevelaer. Bereits zum dritten Mal darf ich diesen für euch besuchen und entdecke immer wieder Neues. Heute darf ich mit einem ganz neuen Blickwinkel auf die Anlage schauen und das mit der Frage: Wie sieht es mit der Barrierefreiheit aus? Unterwegs bin ich dazu mit dem „Aktion Inklusion“-Team des Caritasverband Geldern-Kevelaer.
An einem perfekten Sonnentag treffe ich mich nicht nur mit Projektmitarbeiterin Imane Ouachaty vom Caritasverband Geldern-Kevelaer, sondern auch mit drei der fünf ehrenamtlichen Mitgliedern des Aktionsteams: Melanie, die durch eine halbseitige Lähmung im Rollstuhl sitzt, Stefan, der sehbehindert ist und Brigitte, die Schwierigkeiten beim Gehen hat und auf Krücken ihr Leben beschreiten muss. Aber was steckt genau hinter dem Projekt „Aktion Inklusion“?
Was ist Inklusion?
Bevor ich mehr ins Detail gehen, finde ich an der Stelle wichtig, erstmal das Wort Inklusion kurz zu erklären. Dahinter steckt die wichtige Definition, dass Menschen mit Behinderungen ihr Leben nicht mehr an vorhandene Strukturen anpassen müssen. Vielmehr ist die Gesellschaft ausgerufen, Strukturen zu schaffen, die es jedem Menschen, inklusive den Menschen mit Behinderung, zu ermöglichen, von Anfang an, ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein. Aber… Inklusion ist kein Ergebnis, sondern ein Prozess, der viele Wege bietet. So ist es auch bei dem Projekt „Aktion Inklusion“ Caritasverband Geldern-Kevelaer.
Das Projekt
Gefördert wird das Projekt durch die Aktion Mensch und läuft Ende des Jahres schon aus. „Gemeinsam mit einer Kollegin und meinem fünfköpfigen, ehrenamtlichen Team haben wir aber schon einiges in der Region in Sachen Inklusion erreicht, viele Begehungen gemacht und durch Aktionen Menschen für das Thema Inklusion sensibilisiert“, erklärt Imane.
So hat das Team etwa Karten in der Innenstadt von Kevelaer und Geldern mit dem Spruch „Viva la Inklusion“ verteilt oder waren zu Gast bei Räten, wie zuletzt in der Stadt Straelen, wo sie ihre Arbeit vorgestellt haben. Eine Begehung, wie wir sie heute im Solegarten St. Jakob machen, um zu schauen, wie es mit der Barrierefreiheit aussieht, gab es genauso bereits in Bildungs-sowie Freizeiteinrichtungen in Geldern.
Der Podcast
„Wir haben sogar einen Podcast mit dem Namen Inklusionsgedanken“, verrät mir Melanie weiter. Insgesamt gibt es fünf Folgen, die sich mit der Frage beschäftigen, welchen Beitrag jede/r Einzelne für eine inklusive Gesellschaft leisten kann. In lockeren Gesprächen wird das Thema mit unterschiedlichen Menschen durchleuchtet. Die GesprächspartnerInnen variieren von SelbstvertreterInnen, die über ihren Alltag sprechen, bis hin zu Akteuren spannender, inklusiver Projekte aus den Bereichen Kultur, Freizeit und Bildung, die ihre Gedanken zum Thema Inklusion teilen.
Die Begehung
Wir starten mit unserer Begehung und machen einen ersten Stopp bei den großen Infotafeln direkt am Empfangsgebäude, die mit einer Blindenschrift und erhabenen Orientierungspunkten ausgestattet sind – für Stefan mit seiner Sehbehinderung ein großer Pluspunkt. Beim Eingang in die Anlage fällt Melanie positiv auf, dass der Untergrund gut für Rollstuhlfahrer geeignet ist, weil er nicht so grob ist. Auch für Kinderwagen ist der Boden also ideal. Stefan wird durch die Anlage von Imane geführt und tastet mit seinem Blindenstock den Weg entlang. Leicht erkennt er, wo der Weg aufhört und der Rasen anfängt, als wir durch den Bereich Kevelaer Atemweg gehen.
Etwas weiter erreichen wir auch schon den Bibelgarten, bei dem es ein Infoschild gibt, dass auch Blindenschrift enthält, die Stefan direkt liest. Allerdings fehlt ihm hier ein sogenanntes Bodenleitsystem, mit einem Leitstreifen und einem Aufmerksamkeitsfeld bzw. erhabene Platten, dass an bestimmten Stellen etwas passiert, wie man das in der Innenstadt etwa an Fußgängerampeln sieht.
Neues & Bewährtes
Übrigens entsteht direkt neben dem Bibelgarten mit einem Inhalatorium bzw. einer Intensiv-Sole-Nebelkammer eine Ergänzungsanlage zum Gradierwerk. Hier werden die Aerosole der „Kevelaer.Thermalsole“, die bereits über den Reisig des Gradierwerks rieselt, durch Verdüsung zu einem dichten Nebel verkleinert. Dadurch dringen sie noch tiefer in die Atemorgane vor.
Auf dem kleinen Stück, das wir gegangen sind, gibt es schon eine Vielzahl von Sitzmöglichkeiten, über die sich Brigitte sehr freut und auch von ihr genutzt werden. Angekommen am Barfußpfad, testet Stefan diesen mit Imane und zieht als Fazit, dass er das gerne nochmal nutzen möchte.
Das Kneippbecken ist für Stefan auch interessant, weil man sich außen und innen festhalten kann, während man durchs Wasser watet, aber der Einstieg ist sehr offen und ohne Assistenz nicht zu bewältigen. Auch Brigitte sind die Treppen ins Wasser durch ihre Mobilitätseinschränkung allein zu rutschig und nutzt lieber die Kneipp-Armbecken, wie auch Melanie, da es auch ein etwas tieferes Becken gibt. Ich teste mich auch mal und tauche meinen Arm bis zur Mitte des Oberarms ins kühle Nass. Nach 30 Sekunden sollte man seinen Arm übrigens wieder herausnehmen, das Wasser sanft abstreifen und pendelnd die Arme bewege, damit diese wieder warm werden.
Das Highlight
Begeistert sind alle ausnahmslos vom Gradierwerk und finden besonders die Weiträumigkeit ideal. Es gibt genug Sitzmöglichkeiten und alles ist komplett barrierefrei und ebenerdig. Auch ich bin wieder von der generellen Größe des Gradierwerks begeistert: Ganze 12 Meter hoch und ein Durchmesser von etwa 25 Metern misst die Anlage zur Salzkonzentration.
Ihr braucht nochmal eine kleine Info zum Gradierwerk? Es besteht aus einem Holzgerüst, das mit Reisigbündeln (überwiegend Schwarzdorn) gefüllt ist. Mit „gradieren“ ist gemeint, dass man einen Stoff in einem Medium konzentriert. In diesem Fall wird das Salzgehalt im Wasser erhöht, wenn die Sole durch das Reisig durchgeleitet wird. Wasser wird so auf natürliche Weise verdunstet. Durch die intensive salzhaltige Luft fühlt ihr euch wie bei einem Spaziergang am Meer.
Atmet ihr die feinen Salzwassertröpfchen ein, wie ich das gerade tue, beugt ihr aktiv Atemwegs- und Erkältungskrankheiten vor. So wird nicht nur die Durchblutung der Lunge angeregt und gereinigt, sondern der gesamte Atemtrakt wird von Bakterien und Allergenen wie Staub oder Polen gereinigt.
Barrierefreier Spielspaß
Bevor unsere kleine Tour schon endet, gehen wir noch in Richtung Spielplatz und Mehrgenerationen-Fitnessparcours. Auf dem Weg ist die Parkplatzsituation kurz Gesprächsthema und alle sind sich auch hier einig, dass die Behindertenparkplätze in der Nähe den Weg in die Anlage erleichtern. Dass die ganze Anlage kostenfrei ist und jederzeit besucht werden kann, macht die Anlage zusätzlich attraktiv.
Am Beachvolleyplatz und an den Spielgeräten angekommen, fällt eines der Spielgeräte positiv auf, da es barrierefrei für Kinder oder Erwachsene mit Behinderung nutzbar ist. Man kann allein schaukeln oder zu zweit und wird durch eine Kordel an den Seiten und vorne geschützt. Die Schaukel hat auch eine hohe Lehne, damit man beim Schaukeln stabil bleibt.
Sportlicher Abschluss
Kurz vor dem Fitness-Parcour entdecke ich wieder etwas Neues und zwar eine Sportbox mit einer Anleitung. Lädt man sich die dort angegebene App herunter und registriert sich, öffnet sich die Box und hält verschiedenes Sport-Equipment bereit.
Die Outdoor-Sportgeräte ein paar Schritte weiter kann Melanie in ihrem Rollstuhl leider nicht nutzen, weil auch der Untergrund mit Mulch nicht befahrbar ist und auch die Geräte zu hoch angebracht sind. Brigitte und Stefan probieren eines der Geräte aus und zwar zum Trainieren der Schultern und auch ich gehe in die Testphase. Alle anderen Geräte sind für sie ohne Hilfe leider nicht nutzbar.
Am Ende sind sich aber alle einig. Der Solegarten St. Jakob ist mit seinem breiten Angebot sehr barrierefrei und eine Bereicherung für die Region. Da kann ich nur zustimmen und bin dankbar, dass ich die Anlage einmal mit einem anderen Auge sehen konnte.
Mehr über den Solegarten St. Jakob findet ihr auch hier.
P.S.: Übrigens ist Melanie auch Barriere-Scout – organisiert von den Sozialhelden e.V..Sie setzt ihre Expertise ein, um OrtsbetreiberInnen in Sachen Barrierefreiheit zu beraten. Wer hier Empfehlungen braucht, kann sich gerne melden.