Der Limes am Niederrhein – Interaktiv und hautnah im LVR-Archäologischen Park in Xanten
Schon zum dritten Mal darf ich den beeindruckenden LVR-Archäologischen Park Xanten mit seinem spannenden LVR-RömerMuseum besuchen. Das Besondere hier: Es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Mein Weg führt mich deshalb heute zum Limespavillon, der im September 2021 eröffnet wurde. Neueste Forschungen rund um Roms älteste Grenze treffen hier auf moderne Medien mit interaktiven Elementen und einem Spiel inklusive kostenfreiem, ausleihbaren Tablet. Und genau das probiere ich heute aus.
Heute darf ich mich nicht nur wieder auf eine Zeitreise durch die römische Antike in Deutschlands größtem archäologischen Freilichtmuseum (= LVR-APX) freuen, sondern lerne mehr über den Limes bzw. die Grenze am Unteren Niederrhein und auch neue Gesichter kennen – die wissenschaftliche Volontärin Mareike Wunderwald und der Museumspädagoge Stephan Engelhard. Mit beiden treffe ich mich am Eingang, der direkt zum LVR-RömerMuseum und auch zum Limespavillon führt. „Schön, dass ihr da seid. Bis zu unserer neuesten Dauerausstellung, dem Limespavillon, ist es nicht weit, da können wir bequem zu Fuß hingehen“, begrüßt uns Stephan. Und ich bin schon gespannt, was mich erwartet.
Die UNESCO-Welterbestätte
Was ich schon weiß, ist, dass im Sommer 2021 der Niedergermanische Limes vom UNESCO-Welterbekomitee zur Welterbestätte ernannt wurde und die Colonia Ulpia Traiana ist, als einzige römische Zivilstadt, Teil davon. Im September des gleichen Jahres wurde der neue Limespavillon eröffnet. Die Dauerausstellung bleibt dem LVR-APX auch erhalten und ist kurz nach Eröffnung um ein interaktives Highlight ergänzt worden, das ich gleich testen werde.
Aber was bedeutet Limes eigentlich? Das lateinische Wort limes bedeutete ursprünglich „Schneise“ oder „Grenzweg“, erst später auch „Grenze“. Der Niedergermanische Limes war ein Teil der Grenze zwischen dem Römischen Reich und dem Land der Germanen. Er entstand vor etwa 2.000 Jahren, als die römischen Soldaten die heutige Schweiz und einen Teil des heutigen Deutschlands erobert hatten.
Interaktive Ausstellung…
Und einen Eindruck von diesem Leben vermittelt der neue Limespavillon. Schon von außen ist das Gebäude sehr modern und geradlinig. Auch von innen hat alles seine Ordnung, es ist übersichtlich gestaltet und es gibt jede Menge zu entdecken. Das Beste: Alles darf angefasst, ausprobiert und genutzt werden. „Die Besucher können hier interaktiv die neuesten Forschungen am Niedergermanischen Limes entdecken und erleben. Unsere Ankerfigur in der Ausstellung ist Gaius Iulius Primus, der immer wieder auftaucht und zu seiner Zeit als stator einer Reitereinheit in Burginatium aktiv war, den Limes gesichert hat und von einem Trossknecht begleitet wurde“, erklärt mir Stephan.
… für alle Sinne
Über ihn und sein Leben erfahren die Besucher mehr über einen Einführungsfilm, der hier in Endlosschleife auf einem gigantischen Monitor läuft und vom Museum in Zusammenarbeit mit dem LVR-Zentrum für Medien und Bildung zu einem kleinen Hollywood-Streifen inszeniert wurde. Auch eine Replik der Grabstele von Gaius Iulius Primus ist hier koloriert zu finden und dort gibt es auch eine Hörspiel-Station – eine von insgesamt vier Stück. In unmittelbarer Nähe befindet sich der nächste übergroße Monitor, auf dem die Ausrüstung und Bewaffnung römischer Soldaten im Wandel der Zeiten interaktiv erlebbar wird. Direkt daneben lassen sich Geschichten und Informationen zu weiteren Welterbestätten des Niedergermanischen Limes vom Vinxtbach in Rheinland-Pfalz bis zur Nordseeküste bei Katwijk in den Niederlanden auf einer digitalen Karte abrufen.
Detaillierte Modelle der verschiedenen Militärplätze am unteren Niederrhein mit Fokus der römischen Seite und Replikate an einzelnen Medientischen von Originalfunden mit kurzen und knackigen Informationen warten ebenso darauf entdeckt zu werden und sind taktil erfahrbar. „Die modernen Medien ergänzen die Ausstellung perfekt und bieten eine einzigartige Möglichkeit, sich der Antike ganz individuell zu nähern. Dabei wollen wir möglichst viele Sinne ansprechen – sehen, hören, tasten“, bestätigt Stephan.
Kostenfreies Tablet-Spiel
Und diese einzigartige Möglichkeit wird noch um ein interaktives Tool ergänzt, das ich jetzt testen darf: ein Point & Click-Adventure, dessen Entwicklung rund ein Jahr gedauert hat. „Im Eingangsbereich stehen unsere MitarbeiterInnen bereit, um Familien mit Kindern auf Wunsch ein Tablet mit einem Spiel kostenfrei auszuleihen, mit dem sie die Geschichte des Limes auf ganz besondere Weise erfahren“, erklärt Stephan und reicht mir eines der Tablets.
Ich schlüpfe in die Rolle einer Händlerin und mache mich auf die Suche nach dem Gold der Germanen! Wir kommen mit dem Schiff über den Rhein an und befinden uns in der ersten Szene in einer zivilen Siedlung. Dort treffen wir u.a. auf den Kunsthandwerker Acutus, der uns aus dem Bernstein, den wir suchen, später eine kunstvolle Figur anfertigen kann. Von ihm erhalten wir den Tipp, uns bei unserem Abenteuer an die geheimnisvolle Seherin Veleda zu halten.
Rätsel lösen
„Gespickt ist das Spiel mit kurzen Informationen zu den einzelnen Szenen und historischen Personen bzw. was diese ausmacht. Die SpielerInnen sammeln auf dem Weg Objekte, die man mit anderen Figuren im Spiel tauschen kann“, erklärt mir Stephan weiter. „Natürlich warten spannende Aufgaben im Verlauf des Spieles darauf, gelöst zu werden.“ Immer wenn ich ein Rätsel lösen muss, erscheint eine Karte und nach ein paar Sekunden Schmetterlinge. An der Stelle kann man den Ort „freirubbeln“, den man dann im realen Raum aufsuchen muss, um der Lösung des Rätsels näher zu kommen. Das geschieht u.a. mit Augmented Reality, einer virtuellen Erweiterung der Realität.
Insgesamt gibt es sieben verschiedene Orte zu entdecken, die mit viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt werden. Darunter sind u.a. der Tempel der Göttin Vagdavercustis, das Wohn-Stallhaus des Germanen Gangusso und eine römische Taverne, in der ich Fischsauce gegen eine Portion Pilze tausche, die mir später wieder nützlich werden. Am Ende finde ich natürlich den Bernstein und kann ihn von dem Kunsthandwerker Acutus, den ich am Anfang kennengelernt habe, zu einer Figur schnitzen lassen.
Spielerische Wissensvermittlung
Ich bewege mich also während des Spiels durch den ganzen Ausstellungssaum und treffe dabei Römer und Germanen, mit denen ich mich austausche und geschickt handeln muss. Parallel lerne ich auf ganz spielerische Art und Weise, dass der Rhein als nasser Limes keine unüberwindbare Grenze war: In der antiken Landschaft gab es zahlreiche Kontakte zwischen den Römern und Germanen. Das Spiel dauert maximal 60 Minuten und ist geeignet für Kinder von acht bis 12 Jahren, aber auch größere Kinder und Erwachsene dürfen sich gerne versuchen.
Mir hat es auf jeden Fall viel Spaß gemacht und ich finde es spannend, durch einen digitalen Zugang ein historisches Thema zu entdecken.
Nächster Halt: Die römische Werft
Spannende Einblicke in das Leben entlang der Grenze bietet auch die römische Werft, direkt neben dem Limespavillon, den wir jetzt wieder verlassen. Hier werden römische Schiffe, die einst auf dem Rhein unterwegs waren, originalgetreu und fahrtüchtig von HandwerkerInnen einer inklusiven Holzwerkstatt nachgebaut.
Lastkähne brachten Waren, Menschen und Tiere von Ort zu Ort und ermöglichten so den wirtschaftlichen Aufschwung der Provinz. Mächtige Militärschiffe sicherten die Grenze und patrouillierten entlang der Ufer.
Letzter Stopp: Das LVR-RömerMuseum
Um noch zu erfahren, was die Legionäre an der Grenze alles mit sich führen mussten, geht es jetzt in einen meiner Lieblingsbereiche des APX – das LVR-RömerMuseum. „An unserer Ankleide-Station können BesucherInnen selbst austesten, wie schwer etwa das Marschgepäck war, was von den Legionären Kilometer lang auf den Schultern getragen wurde“, erklärt mir Stephan. Das probiere ich auch kurz aus, mit der Betonung auf kurz, denn das Marschgepäck hat in der Tat ordentlich Gewicht. Auch der Schienenpanzer sieht nicht besonders leicht aus. Insgesamt kam ein Legionär schnell auf eine Gesamtmasse von mehr als 45 Kilo!