52 Alltagsmenschen in Rees – Kunst zum Anfassen

15.05.2024

Vor exakt zwei Jahren durfte ich einige Alltagsmenschen in Straelen besuchen und war total begeistert. Heute ist es wieder soweit und ich darf die besonderen, lebensgroßen und kunstvollen Wegbegleitern Skulpturen in Rees wiedersehen und vor allen Dingen auch neue Alltagsmenschen kennenlernen. Rund 52 Skulpturen an 17 verschiedenen Standorten gibt es in der ältesten Stadt am Unteren Niederrhein bis zum 27. Juni zu entdecken. Die Künstlerinnen hinter diesem Projekt sind Christel & Laura Lechner und mit ihren Werken bereits zum zweiten Mal zu Gast in Rees. Was meine Highlights bei meinem Rundgang waren? Das verrate ich euch hier…

Farben
Container

Sigrid Mölleken, Fachbereichsleiterin für Schule, Kultur und Stadtmarketing und ihre Mitarbeiterin Claudia Börgers begleiten mich heute auf meiner Entdeckungstour durch das schöne Rees zu den Alltagsmenschen. Dazu treffen wir uns im Rathaus direkt am Markt. Das Wetter spielt ebenfalls mit und wir können den Rundgang durch den historischen Teil von Rees starten.

„Das ist schon unsere zweite Alltagsmenschen-Ausstellung von Christel & Laura Lechner. 2016 hat alles angefangen und wir freuen uns sehr, dass unsere zehn Alltagsmenschen Verstärkung bekommen“, schwärmt Sigrid. „Insgesamt gibt es bis zum 27. Juni dann insgesamt 52 Alltagsmenschen an 17 Stationen zu entdecken. Und dabei sind nicht nur die schönsten Ecken von Rees, sondern auch versteckte Ecken, die selbst Reeser neu kennenlernen können.

Start Rathaus

Die ersten Alltagsmenschen, die durchschnittlich 70 bis 100 Kilo wiegen, erwarten mich schon vor dem Rathaus – ein Paar mit zwei Dackeln. „Kleine Kinder klettern gerne auf die Dackel und es gibt sogar Besucher, die ihren Hund zwischen den Dackeln platzieren, um ein Foto zu machen“, lacht Sigrid. Das Anfassen der Alltagsmenschen ist also erlaubt und auch erwünscht, nur erklimmen sollte man diese als Erwachsene aus Sicherheitsgründen nicht.

„Wir waren auch schon im Atelier bzw. in der Werkstatt von den Künstlerinnen und haben gesehen, wie sie hergestellt werden. Das Trägermaterial wird mit Beton verkleidet und dann kunstvoll und mit viel Liebe zum Detail vollendet“, erzählt Claudia. „Zum Aufbau der Ausstellung waren Christel & Laura Lechner sogar selbst vor Ort und haben diese den letzten Feinschliff gegeben.“

Ein paar Schritte weiter finden wir schon die nächsten Alltagsmenschen – Männer im Gespräch, eine Dame auf der Bank mit ihrem Terrier und ein weiteres Männer-Duo komplettieren auf ihre Art den Marktplatz. Und es versteckt sich ein Alltagsmensch in Form einer Dame sogar auf dem Dachvorsprung der Volksbank. Was mir jetzt schon auffällt, ist, dass die Alltagsmenschen alle ein freundliches Gesicht und schöne Rundungen haben und bin gespannt, wie es weiter geht.

„Große Kaffeetafel“ trifft „Auf gute Nachbarschaft“

Vom Markt aus gehen wir entlang der Rheinstraße in Richtung Gustav-Adolf-Platz an die evangelische Kirche und erreichen bald ein ganzes Alltagsmenschen-Szenario – die „Große Kaffeetafel“. Ein wunderschöner versteckter Platz und man kann sich sogar direkt zu der bunten Gruppe gesellen, weil ein Stuhl frei ist. Es gibt so viel zu gucken und es zaubert einem direkt ein Lächeln ins Gesicht, zumindest ist das bei mir so. „Das ist auch einer meiner Highlights“, bestätigt Sigrid und führt mich direkt zu den nächsten Alltagsmenschen, die nicht lange auf sich warten lassen. Die Hohe Rheinstraße hält ebenfalls mehrere kunstvoll inszenierte Installationen bereit, die es sich auf den Bänken der Anwohner der Straße gemütlich gemacht haben.

Mehr über die Künstlerinnen

Jede Figur hat auch einen QR-Code. Scannt ihr diesen mit dem Smartphone ein, kommt ihr direkt auf die Webseite der Künstlerinnen. Hier erfahrt ihr, was hinter diesem Projekt steckt und dass Christel Lechner mit ihrem Team seit 1996 Alltagsmenschen kreiert. Seit 2004 ist auch ihre Tochter Laura mit an Bord, die die Skulpturen malerisch konzipiert.

Das Besondere: Jede Figur hat ihren ganz eigenen Charakter und erzählt eine individuelle Geschichte, die sich oft erst auf den zweiten Blick offenbart. Die dargestellten Alltagssituation halten gewissermaßen den Spiegel vor, es ist aber eine sehr respektvolle Betrachtung und Annäherung der Menschen. Die Alltagsmenschen laden einfach ein, dem hektischen Alltag für einige Augenblicke zu entfliehen.

Alter Bekannter

Für uns geht es einen kleinen Schwenker zurück zu den alten Stadtmauern mit dem Froschteich auf dem sich mittendrauf gleich mehrere Alltagsmenschen in Badeanzügen sonnen – „Grazien auf dem Floß“. Auch der schon bekannte Alltagsmensch „Paul“, der schon seit 2016 zu Rees gehört, ist nach seiner Winterpause samt Schwimmreifen wieder im Wasser. „Das sind sehr beliebte Fotomotive, wie man sieht“, lacht Sigrid, denn ein älteres Pärchen fotografiert die Grazien gerade und ein Fotograf baut sein Equipment auf.

Fotowalk oder -kurs gewünscht?

Apropos Fotos machen… die Stadt Rees hat auch ein besonderes Programm rund um die Alltagsmenschen entwickelt. So gibt es zum Beispiel auch einen Fotowalk mit dem Reeser Fotografen Axel Breuer. Fotografie begeisterten Interessenten bietet er eine zweistündige  Führung an, es gibt dazu jede Menge Informationen zu den Alltagsmenschen auch mal einen anderen Blick auf die Kunstwerke. Die Kosten betragen 7,50 Euro pro Person und eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Folgende Termine stehen zur Verfügung: 25.4, 2.5, 16.5, 23.5, 30.5, 6.6, 13.6, 20.6, 27.6 um jeweils 16.30 Uhr. Treffpunkt ist die Touristeninformation am Markt 41.

Wer es etwas intensiver und neben grundlegenden technischen Möglichkeiten, die künstlerische Darstellung und Perspektivänderung beim Blick auf die Alltagsmenschen in den Fokus stellen möchte, ist im Fotokurs von Axel Breuer bestens aufgehoben. Dieser dauert drei bis vier Stunden und Kameras können auch gemietet werden. Mögliche Termine sind am 23.4 um 14 Uhr, am 14.5 um 15 Uhr und am 11.6 um 16 Uhr. Informationen zu den Kosten bekommt ihr ebenfalls bei der Touristinfo unter 02851-51555 oder unter tourist.information@stadt-rees.de.

Spaß für die Kleinen

Auch an die Kleinen wurde übrigens mit einer Kinderrallye gedacht. Dazu gibt es einen Vordruck an der Touristeninfo und die Kinder können beweisen, wie gut sie sich mit den Alltagsmenschen auskennen und müssen dazu verschiedene Fragen zu den Lechner-Skulpturen beantworten. Als Belohnung, wenn alles ausgefüllt ist, gibt es am Ende eine leckere, kühle Überraschung.

Rheinluft schnuppern

Rees hat als älteste Stadt am Unteren Niederrhein neben den Alltagsmenschen aber noch viel mehr zu bieten. Es gibt so tolle Ecken, an denen man auf Ruhebänken und -liegen verweilen kann. Sei es jetzt der Froschteich, den wir gerade besucht haben oder die Rheinpromenade, der wir uns jetzt nähern und von der ich ganz angetan bin.

Das Wetter tut heute sein Übriges, aber ich liebe den Blick aufs Wasser und am „Ufer“ gibt es den „Fernglasmann“, zu dem ich mich kurz geselle und mit ihm die Aussicht genieße. Er schaut auf das alte Schiff „Aalschokker Anita“, das aktuell Forschungszwecken dient.

Mehr Kunst

„Unser Verkehrs- und Verschönerungsverein ist sehr aktiv und hat viele weitere Skulpturen von tollen KünstlerInnen nach Rees geholt, ein paar begegnen wir entlang der Rheinpromenade“, verrät mir Claudia. Kaum ausgesprochen ist da der „Zeitungsleser“ aus Bronze von Jürgen Ebert, der einige Skulpturen in Rees hat, und ein Stück weiter das übergroße, bunte Wind-Spiel von der leider schon verstorbenen Künstlerin rosalie.

Von hier aus starten übrigens auch gleich zwei Fahrgastschiff, die „Germania“, die gerade anlegt ist, und die „Stadt Rees“. Infos bekommt ihr über die niederrhein-flotte.de. Gleich in der Nähe ist auch eine mobile Cafe-Bar, die in Kürze wieder BesucherInnen und Reeser mit Kaffeespezialitäten & Co. to go glücklich macht.

Die nächsten Alltagsmenschen, denen wir auf unserem Weg begegnen, sind nicht ganz so kräftig und erinnern an die „Rääße Sackendräger“, das waren Tagelöhner, die am Hafen ihre Hilfe zum Ausladen anboten. „Die beiden haben sogar ein Fanpaar, das immer wieder nach Rees kommt, um die beiden zu besuchen. Die Frau hat ihnen auch Namen gegeben – Franz und Werner“, lacht Sigrid.

„Reise nach Jerusalem?“

Vorbei an einen Alltagsmenschen in Schützenuniform, an einer weiteren Bronze-Skulptur von Jürgen Ebert mit dem schönen Titel „Freundschaft verbindet“ nähern wir uns dem Ende unserer kleinen Runde entlang der Rheinpromenade. Den Abschluss bildet der Mühlenturm, ein Teil der alten Stadtmauer, der wunderschön vor einer großen Trauerweide steht, und an ein Postkartenmotiv erinnert, was es tatsächlich auch gibt, wie mir Sigrid verrät.

Um eine weitere größere Installation von Alltagsmenschen zu entdecken, gehen wir eine kleine Treppe hoch, vorbei an dem süßem alten Haus Schaeling, in Richtung Rondell. Hier heißt die Szenerie tatsächlich „Reise nach Jerusalem“ und es gibt sogar einen freien Stuhl und kann sich quasi beteiligen. Das mache ich natürlich auch, was ein wenig Aufmerksamkeit erregt, als eine kleine Gruppe Touristen ebenfalls auf dem Rondell eintreffen.

Nur noch zwei Installationen warten jetzt auf uns. Eine davon ist die „Couch Zone“ mit zwei Männern, die auf einem Sofa fast vor dem Startpunkt des Planetenwanderweges, den ich für euch auch schon erkundet habe, platzgenommen haben. „Die Künstlerinnen haben bewusst zwei Männer ausgewählt, weil sie zeigen wollten, dass auch zwei Männer befreundet sein und sich anfassen können, ohne schwul zu sein“, ergänzt Sigrid.

Kleiner Tipp

Der Skulpturenpark, der sich in unmittelbarer Nähe befindet, wird bald neu gestaltet und am 10. Juni mit neuen Objekten von KünstlerInnen aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden bestückt. Im Sommer ist der Ort auch eine kleine Oase, wenn der Lavendel blüht, der Brunnen an ist und die Plantanen sich in ihr grünes Gewand werfen.

Cowboy in Rees

„Der letzte Alltagsmensch direkt um die Ecke ist tatsächlich ein Cowboy und eigentlich kein richtiger Alltagsmensch in dem Sinne“, schmunzelt Sigrid, aber ich hatte den in einer anderen Stadt gesehen und musste ihn einfach mit seinen zwei Ponys haben. Die Ponys gehören aber eigentlich der Enkelin von Christel Lechner, wir durften sie aber ausleihen.“

Insgesamt haben wir eine Stunde und 15 Minuten für unseren Rundgang gebraucht, man kann sich aber auch mehr Zeit lassen. Die historische Altstadt hat so viele tolle Ecken, dass es sich lohnt, ganz in Ruhe zu Schlendern und am Ende einen leckeren Kaffee am Markt zu genießen und genau das, haben wir jetzt vor.

Öffentliche Führungen

Ihr wünscht euch auch einen geführten Rundgang durch die Welt der Alltagsmenschen in Rees? Es gibt öffentliche Führungen an folgenden Terminen:

Samstag, 22.4 – 14.30 Uhr

Montag, 1.5 – 11 Uhr

Sonntag, 7.5 – 14.30 Uhr

Samstag, 13.5 – 14.30 Uhr

Donnerstag, 1.6 – 18 Uhr

Sonntag, 4.6 – 14.30 Uhr

Freitag, 9.6 – 18 Uhr

Mittwoch, 14.6 – 14.30 Uhr

Sonntag, 18.6 – 11 Uhr

Sonntag, 25.6 – 14.30 Uhr

Für die Führungen ist keine Anmeldung notwendig und kostet für 90 Minuten fünf Euro. Kinder unter 12 Jahren sind frei. Treffpunkt ist auch die Touristinfo am Markt 41.

Noch ein Tipp

Vom 28. April bis zum 1. Mai heißt es wieder „Reeser Wiesenkultur“ und die Besucher erwarten Comedy, Konzerte und Wiesen-Beatz. Mehr Infos bekommt ihr hier.