Kultur in der Natur – Von der Skulpturensammlung bis zur Augmented Reality-Radroute
Ihr wollt den Niederrhein in verschiedenen Facetten erleben? Dann kann ich euch die Verbindung „Kultur in der Natur“ ans Herz legen. Ein paar Highlights habe ich euch mal zusammengestellt, die alle ihren besonderen Reiz haben. Kennt ihr die Skulpturensammlung in Viersen, die Kasematten in Brüggen und Rees, die Tim Berresheims Bilderreise im Heinsberger Land, auf der digitale Kunst greifbar wird, oder die Halden in Neukirchen-Vluyn, Moers und Hückelhoven?
Skulpturensammlung Viersen
Ein beeindruckender Ort in meiner direkten Heimatnähe ist sicherlich die Skulpturensammlung im Umfeld der Städtischen Galerie im Park und des Kreishauses des Kreises Viersen im Zentrum der Stadt Viersen. 1989 von der privaten Initiative des Vereins für Heimatpflege e.V. Viersen gegründet, umfasst diese inzwischen Werke von Künstlern wie Erwin Heerich, Günter Haese, K. H. Hödicke, Gereon Krebber, David D. Lauer, Anthony Cragg, Wolfgang Nestler, Roberto Sebastian Matta Echaurren, Mark di Suvero und Wang Du.
Besonders ins Auge fällt die Plastik „New Star“ am Diergardtplatz, eine rote Stahlskulptur des amerikanischen Bildhauers Mark di Suvero mit ihren überdimensionalen Armen. Nicht weit davon entfernt findet ihr vor dem Aufgang zum Forum ein Werk von dem Düsseldorfer Künstler Erwin Heerich – zwei Metallbänke ohne Seiten- und Rückenlehnen. An der Wegkreuzung zwischen Rathausmarkt und Forum am Fuß der Freitreppe erwartet euch die vier Meter hohe Bronzeskulptur „Wirbelsäule - the articulated column“ mit einer ungewöhnlichen Formensprache von Anthony Cragg.
Für die Stadt Viersen ist diese Sammlung ein echter Glücksfall. Nicht nur der Qualitätsanspruch ist hoch, sondern auch der finanzielle Aufwand. Die bürgerschaftliche Initiative kommt aber seit über 30 Jahren ohne Inanspruchnahme von Haushaltsmitteln aus. Unterstützung kamen u.a. von der Pohl‘ schen Schenkung, der Kunststiftung NRW, des Ministerpräsidenten NRW, der Viersener Sparkassenstiftung, der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, der Sparkasse Krefeld, des Kunstkreises Viersen, zahlreicher privater Spender sowie Rat und Verwaltung der Stadt Viersen.
Wenn ihr auch beispielhafte Positionen der Plastik unserer Zeit in einer besonderen urbanen Situation erleben wollt, müsst ihr euch nicht an Öffnungszeiten halten. Die Skulpturensammlung ist ganzjährig und täglich 24 Stunden lang der interessierten Öffentlichkeit zugänglich. Führungen und die Ausleihe eines Audio-Guides sind ebenfalls möglich. Weitere Informationen bekommt ihr bei Dr. Albert Pauly unter 02162-7430.
Kasematten in Brüggen…
Das Wort Kasematten habt ihr bestimmt schon mal gehört, aber was ist da genau mit gemeint? Das sind unterirdisch gewölbte Räume aus weitgehend homogenem Backsteinmauerwerk in recht regelmäßigem Kreuzgewölbeverband.
Besichtigen könnt ihr diese u.a. in Brüggen. Im 16. Jahrhundert Verteidigungs- bzw. Wehranlage und im Zweiten Weltkrieg Schutzbunker waren die Kasematten in der Burggemeinde über 35 Jahre lang offiziell nicht zugänglich. 2018 wurde die denkmalgeschützte Anlage instandgesetzt und touristisch nutzbar gemacht.
Das i-Tüpfelchen: Dazu wurde eine App entwickelt, die zwei virtuelle Rundgänge mit ausgewählten Standorten durch die östliche Kasematte im Jahr 1520 und durch die westliche Kasematte im Jahr 1945 bietet. Einen ersten Eindruck könnt ihr euch verschaffen, wenn ihr die App „Kasematten Brüggen“ kostenlos im App Store und Google Play herunterladet.
Führungen durch die beiden jeweils etwa 44 Meter langen Kasematten könnt ihr direkt bei der Tourist-Information buchen. Ihr bekommt ein Tablet mit zahlreichen Zusatzinformation und einen echten Blick in die Vergangenheit der Kasematten werfen.
Foto: Burggemeinde Brüggen
…und in Rees
In Rees gibt es gleich drei Kasematten unter dem Städtischen Museumsgebäude, der Bastei und dem Rondell. Die Kasematte unter dem Museumsgebäude wurde im 15. Jahrhundert auf Veranlassung des Reeser Magistrats erbaut. Damals geriet das Territorium des Herzogtums Kleve immer mehr in die kriegerischen Auseinandersetzungen während des 80-jährigen niederländischen Aufstandes gegen die spanische Herrschaft.
Zu finden ist diese Kasematte parallel zur Straße „Vor dem Falltor“ am Eingang des Museums genau unter dem jüngst überbauten Hof des Museums. Der 14 Meter lange und 2,60 Meter breite Raum wurde damals für leichtere Geschütze genutzt. Die Kasematte an der Bastei am Westring wurde 1583 erbaut und 1920 wieder freigelegt. Lange Zeit war diese verschüttet.
Wenn ihr mehr über die Kasematten & Co. in Rees erfahren wollt, empfehle ich euch die öffentliche Stadtführung „Keller-Kerker-Kasematten“. Bei einem Wachgang mit dem „Torwärter für Rees“ um die alten Wälle, lernt ihr mehr über die Verteidigungsanlagen der ältesten Stadt am Unteren Niederrhein und dürft in Verließe und Kasematten, die sonst verschlossen sind. Die Führung dauert 120 Minuten und kostet sieben Euro pro Person (Kinder bis 12 Jahre frei).
Kasematten gab es übrigens nicht nur in Brüggen und Rees, sondern auch in Wesel, Heinsberg und Geldern.
Foto: Lokale Arbeitsgruppe (LAG) Lippe-Issel-Niederrhein e.V.
Digitale Kunst in Heinsberg
Bereit für eine außergewöhnliche, spannende und inspirierende Radtour im Heinsberger Land, bei der ihr Kultur in der Natur auf eine ganz besondere Art und Weise erleben könnt? Die Augmented Reality-Radroute „Tim Berresheims Bilderreise“ bietet auf einer Strecke von 90 Kilometern eine in Deutschland einzigartige Kombination aus Digital-Kunst, Kultur und Natur. An 17 Orten im Heinsberger Land verschmelzen dabei modernste Technologie und Umwelt zu faszinierenden Augmented Reality-Kunstwerken. Eine absolute Herzens-Empfehlung für alle, die einfach was Besonderes erleben wollen.
Aber was ist Augmented Reality überhaupt? Übersetzt bedeutet es eine erweiterte Realität. Es geht um das Zusammenspiel vom digitalen und analogen Leben und funktioniert u.a. über die Kamera des Smartphones. Beim Blick durch die Kamera auf einen AR-Ort zeigen sich in unserem Fall Kunstobjekte, die quasi über die „Wirklichkeit“ gelegt werden.
Der Start- und Zielpunkt ist das Informationszentrum Naturpark-Tor Wassenberg (Pontorsonallee 16). Hier habe ich auch den Pocket-Guide zur Radtour bekommen, der u.a. weitere Informationen zum Projekt bereithält, wie, das die Kunstwerke aus der Feder des in Heinsberg geborenen Künstlers Tim Berresheim stammen. Bevor es losgeht, empfehle ich euch die kostenlose App „TB – Bilderreise AR“ heruntergeladen, mit der die Kunstobjekte erleb- und begehbar werden.
Wie das Ganze funktioniert, könnt ihr einige Meter entfernt ausprobieren. Am idyllischen Gondelweiher verbirgt sich die erste Station und mit dem Smartphone bewaffnet, geht es auf Kunstobjektsuche. Die App hilft euch dabei und signalisiert, dass ihr ganz nah dran seid.
Halden am Niederrhein
Auch wenn man richtige Berge vergebens am Niederrhein sucht, gibt es doch einige Erhöhungen, die im Zuge des Kohleabbaus entstanden sind. Diese Halden bieten aber nicht nur pure Natur, sondern auch beeindruckende Kultur.
„Norddeutschland“
In Neukirchen-Vluyn befindet sich die Halde „Norddeutschland“, eine frühere Bergehalde des Bergwerks Niederberg. Diese ist insgesamt über 100 Meter hoch und über eine als Kunstwerk errichtete „Himmelstreppe“ mit knackigen 359 Stufen erreichbar. Was besonders schön aussieht, wenn es dämmert, sind die Dioden im Handlauf, die die Treppe beleuchten.
Oben angekommen, wartet ein skelettförmiges Stahlgerüst auf euch, das vielmehr unter dem Namen „Hallenhaus“ bekannt ist. Es steht nicht nur symbolisch für den Strukturwandel, sondern verweist auch auf die Vergangenheit der Landwirtschafts- und Industriearchitektur unserer Region. Auch dieses Gebilde ist abends beleuchtet und ab und an könnt ihr Gleitflieger sehen, die diese Stelle als Startplatz nutzen. Von hier aus habt ihr natürlich auch einen gigantischen Blick bis weit ins Ruhrgebiet hinein.
Wanderstrecken mit einer Länge von bis zu sieben Kilometer sind zusätzlich angelegt und gut ausgeschildert. Kleiner Tipp für Heavy-Metal-Fans: Im Sommer findet hier vom 13 bis 15. Juli das familiäre „Dong Open Air Metal Festival“ statt, welches die Halde im wahrsten Sinne des Wortes zum Beben bringt.
Foto: Stadt Neukirchen-Vluyn
Rheinpreußen
Eine weitere Halde befindet sich in Moers, trägt den Namen „Rheinpreußen“ und überrascht mit einer ganz besonderen, imposanten Landmarke. Die 28 Meter hohe Plastik – das „Geleucht“ – des Lichtkünstlers Otto Piene stellt eine überdimensionale Grubenlampe dar, die in Dunkelheit glutrot leuchtet. Entworfen hat der Künstler das Geleucht als Sinnbild für „Kohle, die Wärme und Energie durch Feuer schafft – und die Grubenarbeit mit ihren besonderen Bedingungen und Gefahren.“ Beides gemeinsam – Berg und Bau – ist mit stolzen 122,60 Metern das weltweit größte Montankunstwerk! Der Turm des „Geleuchts“, der einstmals sichersten „Davy-Lampe“ nachempfunden, ist begehbar.
Dass von hier aus die Aussicht ebenfalls sensationell ist, versteht sich von selbst. Die Halde ist auch der perfekte Ort zum Mountainbiken, (Rad-)Wandern, Joggen und Walken. Der angrenzende Baerler Busch mit dem Waldsee zählt zu den größten Wald- und Wandergebieten der Region.
Foto: Stadt Moers
Pattberg
Es gibt in Moers allerdings noch eine weitere, jüngere Halde – der „Pattberg“. Diese bietet nicht nur für Radler und Wanderer gut ausgebaute Wege, sondern ist Mittelpunkt der Baumkreisroute, ein 42 Kilometer langer Radweg durch die niederrheinische Kendel- und Donkenlandschaft. Künftig entsteht hier auch ein Drachenweg bzw. wird die Halde dann zum geheimnisvollen Drachenberg mit einer spannenden Sage – eine neue Freizeitmöglichkeit für Familien.
Millicher Halde
Die nächste Halde, die ich euch nicht vorenthalten möchte, ist etwas südlicher am Niederrhein angesiedelt – die „Millicher Halde“ in Hückelhoven. Die Abraumhalde derSteinkohlenzeche „Sophia-Jacoba“ wurde in den 70er-Jahren begrünt und erreicht ihr über eine steile Treppe mit fast 400 Stufen. Oben werdet ihr mit einem schwebenden Aussichtsturm belohnt, der aus einer Höhe von 70 Metern den Blick bis zur Eifel und zu den Rur-Auen freigibt.
Es gibt zwei Möglichkeiten für die Besteigung der Halde: Einer befindet sich auf der Roermonder Straße, hinter dem Kreisverkehr Roermonder Straße/ Am Landabsatz. Hier stehen auch Parkplätze zur Verfügung und über die Treppe geht es hoch auf die Halde. Und an der Gronewaldstraße am Ortseingang Millich führt ein Fußweg nach oben.
In der Vorweihnachtszeit und rund um den Jahreswechsel findet hier ein stimmungsvoller Lichterpark unter dem Namen LUMAGICA Haldenzauber statt. Beim letzten Mal verzauberten rund 350 Lichtobjekte, 300 Kilometer Lichterketten und mehr als 300.000 Lichtpunkte große und kleine Besucher.