Ein Stück niederrheinische Geschichte in Wesel – vom Deichdorfmuseum Bislich bis zum UNESCO-Welterbe Niedergermanischer Limes

20.12.2024

Heute führt mich mein Weg wieder nach Wesel und zwar zunächst ins charmante Deichdorfmuseum im Ortsteil Bislich. Meine Mission: Niederrheinischen Geschichte erkunden und mehr über die im Frühjahr 2025 geplante Ausstellung zum UNESCO-Welterbe Niedergermanischer Limes erfahren. Die bedeutende Grenze des Römischen Reiches wird in der Region aber noch weiter erlebbar gemacht und zwar durch die neue Rundroute „Landschaftserlebnis Römerzeit“. Begleitet ihr mich auf eine kleine Zeitreise?

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Es ist 9 Uhr morgens, als ich mit meinem Fotografen Malte das Deichdorfmuseum in Wesel-Bislich erreiche. Obwohl das Museum heute geschlossen hat, bekomme ich einen exklusiven Rundgang mit Museumsleiterin Dr. Barbara Rinn-Kupka, die auch schon draußen auf uns wartet. „Herzlich willkommen in Bislich und in unserem Museum für Deich, Dorf und Ziegel am unteren Niederrhein“, begrüßt uns Barbara und begleitet uns hinein.

Eintritt gegen Spende

Was mir als erstes im Eingangsbereich auffällt, ist dass es keine klassische Kasse gibt, sondern ein großes Spendenglas. „Bei uns gibt es keinen festen Eintrittspreis für den Besuch des 750 Quadratmeter großen Museums, sondern jeder kann das zahlen, was er möchtet“, erklärt Barbara. „Das kommt dem Museum und der Arbeit des weitestgehend ehrenamtlich tätigen Teams zugute. Träger des Museums ist der Heimat- und Bürgerverein Bislich e.V. in Zusammenarbeit und mit Unterstützung der Stadt Wesel.“

Vom Hochwasserschutz…

Wir starten im Haupthaus gleich mit einem wichtigen Teil des Dorfes Bislich – dem Thema Hochwasser und wie sich die Bislicher geschützt haben. „Es gab damals schwere Zerstörungen durch Hochwasser und immer wieder versuchte man durch die Verlegung des Deiches oder durch eine künstliche Reinverlagerung der Überschwemmungen Herr zu werden. So entstand auch damals die Bislicher Insel“, erklärt mir Barbara. Hier war ich auch schon mal vor einiger Zeit für meinen Blog zu Besuch und habe mir das Naturschutzgebiet und die wichtige Überflutungsfläche bei Hochwasser und die dortigen besonderen Wintergäste anschauen dürfen.

… und fränkischen Gräberfeldern

„Letztes Jahr hatten wir hier auch eine besondere Ausstellung vom LVR-Landesmuseum Bonn rund um das Leben von Bodi. Hier in Bislich wurde ein fränkisches Gräberfeld um 600 n.Chr. entdeckt, in dem der Kriegerund enger Gefolgsman des fränkischen Königshofen mit teilweise wertvollen Gegenständen beerdigt wurde. Gefunden wurde u.a. ein goldener Siegelring, der den Namen Bodi trägt und so war klar, wie der Krieger hieß. Das Museum in Bonn hat eine ganze Ausstellung rund um das Leben des Bodi geschaffen, die uns für unsere zukünftigen Ausstellungen sehr inspirierte“, ergänzt Barbara. „Ab dem kommenden Jahr gibt es eine weitere besondere Ausstellung, die sich diesmal nicht um die Franken-, sondern um die Römerzeit dreht, aber dazu erzähle ich euch später mehr.“

Niederrheinische Vogelvielfalt

Dann geht es eine Etage hoch und wir betreten eine große Vogelwelt. Gezeigt werden präparierte, niederrheinische Vögel der Sammlung Holland, die hier beheimatet sind. „Besonders für Kinder ist das spannend, vor allem in Bezug auf den Größenunterschied der einzelnen Vögel. Zusätzlich gibt es auch eine kleine Kreativecke, wo sich die Kleinen künstlerisch austoben können“, lächelt Barbara. „Das Angebot wird auch sehr gut genutzt und ich finde mit meinem Team so allerlei kleine Kunstwerke aus dem Reich der Vögel.“ 

Auch der Kuckuck ist hier im Fokus und ein Infoschild verrät, dass Kuckuckseier in den Nestern von über 100 europäischen Wirtsvogelarten gefunden wurden. Erfolgreiche Adoptiveltern für Kuckucksjunge sind davon aber tatsächlich nur die Hälfte. „Durch den Klimawandel ist der Kuckuck allerdings zum Verlierer geworden und die Vielfalt des Kuckucks wird weiter verloren gehen“, führt Barbara weiter aus.

Der erste Teil der neuen Dauerausstellung

Neue Dauerausstellungen

Bevor es wieder runter zu den anderen Räumlichkeiten geht, zeigt mir Barbara noch einen gemütlichen Lese- und Entspannungsort, in dem man sich zurückziehen kann. Daneben befindet sich noch ein leerer Raum, der u.a. Teil einer neuen Ausstellung zu den Bislicher Gräberfeldern werden wird, sie gab es hier vor und nach den Römern

Kurz als Hintergrund: Das Gebiet des Niedergermanischen Limes, eine der bedeutendsten Grenzen des Römischen Reiches in der Antike, erstreckte sich über mehr als 400 Kilometer entlang des Rheins – von Remagen bis Katwijk in den Niederlanden. In Nordrhein-Westfalen befinden sich Fundstätten des Niedergermanischen Limes in zahlreichen Kommunen, darunter Alfter, Alpen, Bad Münstereifel, Bedburg-Hau, Bonn, Bornheim, Dormagen, Duisburg, Moers, Monheim, Neuss, Kalkar, Kleve, Köln, Krefeld, Swisttal, Uedem, Wesel und Xanten.

„Insgesamt vier römische Marschlager auf Weseler Stadtgebiet zählen seit 2021 als Bodendenkmäler zum UNESCO-Welterbe und das wollen wir in der Ausstellung aufbereiten. Dafür geht es noch zu einem meiner Lieblingsbereiche im Deichdorfmuseum“, freut sich Barbara.

Regionalgeschichte hautnah

Wir stehen aber erstmal wieder an dem Punkt, an dem wir gestartet sind und gehen jetzt durch die Regionalgeschichts-Sammlung.

Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen soll. Von der offenen Feuerstelle als Kochgelegenheit über antiken Bilderfliesen bis hin zu einer alten Nähmaschine finden sich hier diverse Exponate aus den Bereichen Hauswirtschaft, Volksfrömmigkeit und Dorfhandwerk.

„Hier hinten ist ein besonderes Stück Bislicher Geschichte – die Bailey Bridge. Das war damals eine Art Baukastensystem für Brücken, das die Engländer erst 1941 erfunden hatten. Durch die besonderen Bedingungen am Rhein mussten hier drei Brücken gebaut werden. Die Elemente sind Originalteile dieser Brücken von 1945. Für uns ist das so, als ob wir den ersten Legostein haben“, schmunzelt Barbara und genau dieser Vergleich macht es einfacher zu verstehen, was hier vor mir steht.

Dieser Bereich ist, wie alle anderen Bereiche, weitestgehend selbsterklärend und wird zusätzlich mit Informationstafel begleitet. „Durch unser Deichdorfmuseum kann man wunderbar flanieren und auch ein wiederholter Besuch bietet sich an. Es gibt immer wieder etwas zu entdecken und wechselnde Sonderausstellung ergänzen das Konzept“, ergänzt Barbara.

Entstehung des Museums

Entstanden ist das Museum 1983, um nicht nur die gesammelten Zeugnisse der Dorfkultur zu bewahren, sondern auch um ein außerschulischer Lernort zu sein und die Lebensbedingungen und Lebensweisen der Vorfahren am Niederrhein einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Was als klassisches Heimatmuseum in einer leerstehenden Fabrik begann, wurde immer wieder erweitert: 2000 um die Ausstellung Rhein-Deich und 2006 zum Thema Ziegelmuseum.

15.000 Jahre altes Ziegelhandwerk

Und genau diese Bereiche steuern wir jetzt an und verlassen dazu das Haupthaus. Wir gehen quer über einen Hof, vorbei an einem historischen Hofbackofen, der auch immer noch zum Einsatz kommt, bis zum Ziegelmuseum. Außen steht auf einer kleinen Infotafel, dass dieses Gebäude vom Heimatverein Bislich nach dem historischen Vorbild einer offenen Scheune erbaut wurde. Die darin eingerichtete Ausstellung informiert über das Ziegelhandwerk am unteren Niederrhein.

Im Inneren erwartet mich u.a. mehr Informationen zu den Anfängen der Ziegelherstellung, die vor über 15.000 Jahren begannen und auch Dachziegel der Römer sind dabei. Apropos Römer… in der der nächsten Scheune direkt daneben, befindet sich das Rhein-Deich-Museum – einer der Lieblingsorte von Barbara. Es handelt sich sogar um eine echte, ehemalige Scheune, die im 19. Jahrhindert direkt am Deich mit den typischen Feldbrandsteinen und Handstrichholzziegeln erbaut, behutsam abgetragen und hier wieder aufgebaut wurde. Es informiert über den Lebensraum Rhein, den Deichbau und dem Hochwasserschutz am Rhein.

Neue Ausstellung

Im Frühjahr ist diese um einen Sonderbereich zum Niedergermanischen Limes reicher und erste Vorbereitungen sind bereits getroffen. Aber worum geht es genau?

Der Hintergrund

Die auf Weseler Gebiet zum UNESCO-Welterbe gehörenden Überreste der römischen Grenze umfassen vier Manöverfelder, die 2012 mithilfe moderner Forschungstechniken im Waldgebiet von Wesel-Flüren entdeckt wurden. Diese Anlagen zählen zu den wenigen rechtsrheinisch gelegenen Standorten des Niedergermanischen Limes. Die rechteckigen Flächen mit leicht abgerundeten Ecken, die von Wällen umgeben sind, erstrecken sich über 1,2 bis 2,4 Hektar.

Ursprünglich im offenen Gelände angelegt, wurden die Spuren durch den später entstandenen Wald geschützt und konserviert. Obwohl diese Bodendenkmäler vor Ort kaum sichtbar sind, bieten sie ein einzigartiges Zeugnis der römischen Landschaftsgestaltung und verdeutlichen die strategische Bedeutung dieser Region für die römischen Streitkräfte.

Die Stationen

Um diese Zeugnisse näherzubringen, hat sich die Stadt Wesel im Deichdorfmuseum einiges einfallen lassen. Unter anderem dürft ihr euch auf eine Art Fenster freuen, in dem sich u.a. ein QR-Code befindet. Hier hinter verbirgt sich ein Film, der den Aufbau eines solchen Lagers zeigt, dargestellt von der I. Römercohorte Opladen e.V.. Zusätzlich gibt es weitere Informationen über Gräben und Wälle sowie das Vermessen und Markieren der Lager.

In einem Vitrinenschrank schräg gegenüber könnt ihr darüber hinaus interaktiv etwas zu den Legionären erfahren, die hier auf der freien germanischen Landseite in Manövern das Überqueren des Rheins und die Anlage von Nacht- und Rastlagern übten. „Es wird eine interaktive Karte mit verschiedenen Zeitstrahlen geben und man kann raten, wie schwer beladen die Legionäre waren und die richtige Zahl per Knopfdruck auswählen“, ergänzt Barbara.

Das Highlight

Dann nähern wir uns einer bronzenen Kasserolle. „Diese Leihgabe ist ein ganz besonders Objekt. Sie stammt von einem römischen Legionär aus dem Lager Vetera Castra (auf der Xantener Seite). Dieses Stück trägt einen Herstellerstempel, der auf einen Metallhandwerker aus Oberitalien zurückgeführt werden kann“, erklärt Barbara weiter und ergänzt: „Ähnliche Metallobjekte mit Varianten seines Namensstempels wurden auch in den Niederlanden entdeckt.“

Dadurch wird deutlich, wie der Rhein über solche Gegenstände aus dem Marschgepäck römischer Soldaten eine Verbindung zwischen der italienischen Heimat der Legionäre, dem heutigen Deutschland und den Niederlanden herstellt.

Ich bin schon gespannt, was man hier noch alles erfahren kann und werde sicherlich im Frühjahr 2025 zur Ausstellungseröffnung wiederkommen.

Gut zu wissen

Ihr möchtet das Deichdorfmuseum selbst einmal besuchen? Und auch erfahren, was es mit dem Lüttinger Knaben und den 2,20 Meter langen Wels auf sich hat, die beide ebenfalls im Rhein-Deich-Museum zu finden sind? Geöffnet ist das Deichdorfmuseum Bislich im Februar, März und November sonntags von 11 bis 16 Uhr, von April bis Oktober samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr und an vielen Feiertagen von 14 bis 17 Uhr. Im Dezember und Januar wird nur nach Voranfrage geöffnet.

Neben Wechsel- und Sonderausstellungen finden im Museum auch Vorführungen von alten und neuen Handwerkstechniken statt. Im Frühjahr und Herbst gibt es einen großen Kunsthandwerkermarkt im Museum und auf dem Freigelände. Für Gruppen werden Führungen zu verschiedenen Themeneinheiten der Ausstellungsinhalte angeboten. Nach Absprache ist auch eine kombinierte Führung durch das Museum, das Dorf und die katholische Kirche möglich.

Rundroute Landschaftserlebnis Römerzeit

Es gibt aber noch zwei weitere Stationen für mich heute, die mich dem UNESCO-Welterbe Niedergermanischer Limes näherbringen. Die erste führt Barbara und mich zum Deich (Pastor-Kühnen-Platz) ein paar Meter von Museum entfernt. „Wir haben die Rundroute ‚Landschaftserlebnis Römerzeit‘ ins Leben gerufen. Als Logo haben wir einen Helm gewählt, der bei der Auskiesung der Flürener Aue gefunden wurde. Es gibt sogar zwei verschiedene Varianten, um die Rundroute zu erkunden – zu Fuß auf 7,2 Kilometern oder mit dem Rad auf 17 Kilometern“, erklärt Barbara.

„Eine Station führt an der Straße vor dem Deich vorbei und wir weisen darauf hin, dass es sich lohnt, einen kleinen Abstecher zu machen, um das Erlebnis ‚freie Germanische Seite mit Blick über den Rhein auf die römische Seite‘ zu genießen.“ Heute trennen ca. 2,5 km Luftlinie Bislich vom Stadtkern Xanten und die beiden Türme des Doms sind gut zu erkennen. Er steht übrigens über den Gräberfeldern der römerzeitlichen Bevölkerung der Colonia Ulpia Traiana.

Erste Station Rundroute: Rastplatz

Unser letzter Weg führt uns dann noch nach Flüren (Flürener Weg) unmittelbar ans Welterbe, um die erste Rast- und Infostation der Rundroute kennenzulernen.

Als wir an der natürlichen Lichtung ankommen, fällt mir als erstes ein moderner Rastplatz mit Bänken, einem Tisch und zwei Informationstafeln auf, die sich wirklich perfekt für eine Rast eignen.

Auch die großen Tafeln bieten alle nötigen Informationen rund um das UNESCO Welterbe, besser kann man in diese Rundroute nicht starten. Eine zusätzliche Peilstehle in unmittelbarer Nähe soll zeigen, wie breit ein römisches Schild ist.

Mit der geplanten Ausstellung im Deichdorfmuseum im Frühjahr 2025 und der Rad- und Wanderroute „Landschaftserlebnis Römerzeit“ schafft es die Stadt Wesel mit einem großartigen Team durch die Verbindung von Natur, Kultur und Historie eine faszinierende Reise in die Vergangenheit zu ermöglichen.