Bislicher Insel in Xanten: Eine der letzten Auenlandschaft in Deutschland
Kennt ihr das 1.200 Hektar große Naturschutzgebiet Bislicher Insel in Xanten? Ich bislang noch nicht und freue mich sehr, einer der letzten, naturnahen Auenlandschaften in Deutschland heute besuchen und erleben zu dürfen. Zusammen mit Dr. Ilka Weidig, Leiterin des RVR-Besucherzentrum NaturForum Bislicher Insel, geht es, bewaffnet mit einem Fernglas, auf tierische Entdeckungstour. Neugierig, was wir alles beobachtet haben und was dieses Gebiet so besonders macht? Dann lest schnell weiter…
Es ist heute etwas bedeckt, knackige 5 Grad kalt, aber trocken – eigentlich ideales Wetter, um den Niederrhein weiter von seiner winterlichen Seite kennenzulernen… und genau das, haben mein Fotograf Malte und ich auch vor.
Start: Der Artenschutzturm
Als wir den großzügigen Parkplatz des RVR-Besucherzentrum NaturForum Bislicher Insel erreichen, fällt uns sofort ein großer Turm auf – der Artenschutzturm. Hier findet ihr auf einer Tafel eine erste Orientierung über das Gelände und seitlich am Turm einen Monitor, auf dem man sehen kann, was gerade im Inneren passiert. Der ehemalige Trafo-Turm beherbergt seit 2014 Vogelnisthilfen, Insektenhäuser und Fledermausbehausungen. Der NABU NRW hat den Artenschutzturm sogar aufgrund der vielen Wohnmöglichkeiten für Fledermäuse als erstes „fledermausfreundliches Haus“ in NRW ausgezeichnet.
Hier treffen wir auch auf Dr. Ilka Weidig, die seit 4 ½ Jahren das RVR-Besucherzentrum leitet. „Willkommen hier auf der Bislicher Insel“, begrüßt sie uns und lädt uns direkt ein, den Artenschutzturm hinaufzusteigen, um von der Beobachtungsplattform einen ersten Überblick über die Auenlandschaft zu bekommen. „Ich habe dir auch ein wichtiges Utensil mitgebracht – das Fernglas. Eins mitzubringen, empfehlen wir tatsächlich auch unseren Besuchern. Es lohnt sich, gerade jetzt im Winter, die vielen Bewohner dadurch zu entdecken und auch zu beobachten“, empfiehlt Ilka. „Wir bieten aber auch viele Exkursionen an, wo wir Ferngläser zur Verfügung stellen.“
Erste tierische Sichtung
Oben auf der Plattform angekommen, genieße ich den weiten Blick über das Naturschutzgebiet und Ilka erklärt mir, wie diese naturnahe Auenlandschaft entstanden ist. „Früher hat der Rhein einen großen Bogen hier gemacht, 1788 wurde ein Kanal gegraben, der Rhein so verkürzt und die Bislicher Insel entstand. Heute ist sie eine wichtige Überflutungsfläche bei Hochwasser und der Wasserstandswechsel typisch für eine Auenlandschaft. Wir geben dem Hochwasser quasi seinen Raum und das macht diesen Ort so besonders.“
Hier oben kommt auch zum ersten Mal mein Fernglas zum Einsatz, als ich plötzlich zwei Feldhasen auf einer Wiese hoppeln sehe. Und die sind größer, als ich vermutet hätte. Auch erste Wintergäste wie ein paar Bläss- und Weißwangengänse kommen mir vor die Linse und die sehen wir uns jetzt etwas näher an.
Von den Blässgänsen…
Wir verlassen also den Artenschutzturm, halten uns links und folgen der Straße in Richtung Flutmulde, das ist etwa ein Kilometer. Auf einer Wiese sehen wir dann einen ganzen Schwarm, der gerade dabei ist, sich über die Wiese herzumachen und sich zu stärken. Allerdings werden wir bemerkt und die Bläss- und Weißwangengänse treten ein wenig den Rückzug an. „Ja, die Gänse sehen uns als eventuelle Bedrohung und gehen tatsächlich nur weg, weil wegfliegen zu viel Energie kosten würde. Während ihres langen Fluges zu uns, haben sie einiges an Energie verloren und die fressen sie sich hier erst wieder an“, erklärt mir Ilka. „Beobachtet man so ein Verhalten, sollte man nicht näher ran gehen. Die meisten Besucher bei uns haben tatsächlich Bilder von Gänsen von hinten.“
Wir halten also ein bisschen Sicherheitsabstand und schauen uns die Gänse mit dem Fernglas an. Dabei sehen wir auch ein paar Graugänse, die das ganze Jahr auf der Bislicher Insel zu Gast sind. „Gänse verfügen übrigens zwar über eine natürliche Zugunruhe, aber sie wissen von Natur aus nicht, wo sie hinfliegen müssen, das lernen sie erst“, weiß Ilka und erzählt mir weiter, dass früher bis zu 25.000 Wintergäste auf der Bislicher Insel waren. Durch vermutlich den Klimawandel sind es heute weniger, aber immer noch mehrere Tausend.
… bis zum Kiebitz
Ein paar Schritte gehen wir noch weiter bis zu den Flutmulden, die gerade gut gefüllt sind. Um uns herum ist, wie die ganze Zeit schon, lautes Geschnatter und auf meine Frage, ob es hier auch mal ruhig ist, lacht Ilka: „Hier ist es eigentlich nie still. Jeden Morgen, wenn ich hier im Büro bin, gehe ich eine kleine Runde mit meinem Hund und wenn es dann doch mal ruhig ist, ist das schon sehr befremdlich.“
In Höhe der Flutmulden halten wir nochmal kurz an und beobachten aus der Ferne noch ein paar Spieß- und Tafelenten. „Wir haben auch viele Entenarten hier, die man auch nur im Winter sieht“, ergänzt Ilka. „Auch der Kiebitz kommt jetzt zu uns, eine bedrohte Vogelart, die sogar bei uns direkt am Wasser brütet. Im Sommer schlüpfen die Kleinen dann, die wie kleine, süße Wollknäuel aussehen und als Nestflüchter unbeholfen umher tapsen, aber immer von ihren Eltern beobachtet werden.“
Kleine Wanderroute
Langsam gehen wir wieder zurück in Richtung RVR-Besucherzentrum NaturForum, das früher übrigens ein alter Bauernhof war. Heute befinden sich hier Büros, Veranstaltungsräume, eine Dienstwohnung und eine Ausstellung, die wir gleich noch besuchen werden. „Jetzt gehen wir einen kleinen Wanderweg entlang bis zu den ersten beiden Beobachtungshütten“, erklärt mir Ilka auf dem Weg, der in unmittelbarer Nähe des Forums auf der linken Seite an einer Streuobstwiese mit Schafen beginnt.
„Der Wanderweg hat eine Länge von etwa 4,5 Kilometer. Es ist kein Rundweg, sondern eine Sackgasse. Man muss den Weg also wieder zurückgehen, aber selbst auf dem Rückweg entdeckt man immer etwas Neues“, verspricht Ilka. Auf der Strecke mit einem dauerhaften Blick aufs Wasser, begegnen wir auch andere Wanderer, die mit Ferngläsern und Kameras ausgestattet sind.
Praktische Beobachtungshütten
Nach kurzer Zeit erreichen wir zwei der drei Beobachtungshütten. Wir haben die Wahl links oder rechts den Weg entlangzugehen und entscheiden uns für links. Allerdings kommen wir nicht allzu weit, denn das Hochwasser hat uns den Weg zur Hütte abgeschnitten. „Das passiert schon mal, aber wir haben ja noch die andere Beobachtungshütte auf der anderen Seite. Diese ist sogar seit kurzem auch barrierefrei zugänglich“, weist uns Ilka den Weg. Von hier aus hat man einen fantastischen Wasserblick und kann in aller Ruhe unsere verschiedenen tierischen Gäste beobachten. Zur besseren Orientierung haben wir hier einige Infotafeln, damit man die Vögel, Enten & Co. auch identifizieren kann.“
Von der Hütte aus führt der Wanderweg noch ein Stück weiter, aber wir treten den Rückweg an, weil die Ausstellung im NaturForum noch auf uns wartet. „Den Wanderweg gehe ich oft mit Schulklassen, um zu zeigen, dass die Natur schön und spannend ist und etwas ist, was man erhalten sollte. Und besonders freut es mich, wenn ich gerade den Stadtkindern die Natur etwas näherbringen kann und sie etwas das erste Mal einen Storch sehen“, erzählt mir Ilka.
„AuenGeschichten“
Eine Station für die Schulklassen ist auch die Ausstellung „AuenGeschichten“ im NaturForum, in die wir jetzt auch gehen. In der liebevoll arrangierten, interaktiven Ausstellung auf zwei Ebenen könnt ihr viel über die Bewohner der Bislicher Insel, die verschiedenen Lebensräume und die Natur lernen. „In der ersten Etage befindet sich mein Lieblingsexponat – der Biber“, lacht Ilka. „Die Reaktion der Besucher ist fast immer die gleiche: Der Biber ist aber größer, als ich gedacht hatte.“ Und genau das habe ich ehrlicherweise auch gedacht.
Weiter geht es in der Ausstellung vorbei an u.a. ausgestopften Kormorane. Hättet ihr gewusst, dass sich bis zu 400 Brutpaare auf der Bislicher Insel befinden und somit die größte Kormorankolonie in NRW bilden? Auch der hübsche Eisvogel, von dem es hier nur etwa sechs Brutpaare gibt, gehört zur Bislicher Insel. Bei den Fröschen mache ich einen kurzen Stopp und muss die Knöpfe betätigen, die Aufschluss darüber geben, wie die unterschiedlichen Arten klingen. Dasselbe gibt es auch nochmal für die Gänse, die tatsächlich auch alle ihre eigenen „Laute“ haben.
Neben einem kompletten Überblick über die Bislicher Insel mit einer riesigen Karte könnt ihr euch außerdem noch Filme über die Insel anschauen oder verschiedene Spiele digital ausprobieren, wie ein Memory mit Geräuschen. Für die Kleinen gibt es auch noch eine kleine, dunkle „Biberhöhle“ mit Nischen, die die Bewohner der Insel in Form von Stofftieren nochmal zeigt. Klar muss ich hier auch mal reinkriechen. Die Ausstellung ist die perfekte Ergänzung nach einer kleinen Wanderung. Wahrscheinlich um Ostern wird auch das AuenCafé unter neuer Pacht wiedereröffnet, um sich auch stärken zu können.
Wer also die Natur liebt und neue Regionen entdecken und mehr über diese erfahren möchte, ist auf der Bislicher Insel bestens aufgehoben. Auch für Kinder ist sie ein echtes Erlebnis.
Gut zu wissen
Das Naturschutzgebiet kann nur zu Fuß oder per Rad erkundet werden, eine Zufahrt mit dem Auto ist nur bis zum NaturForum möglich. Das NaturForum liegt direkt am linksrheinischen Rhein-Radweg Mainz-Rotterdam sowie an der Römer-Lippe-Route. Hunde sind erlaubt, müssen allerdings angeleint werden.
Geöffnet ist das RVR-NaturForum Bislicher Insel von November bis März von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr und von April bis Oktober von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt zur Dauerausstellung kostet drei Euro pro Person, für Kinder und Jugendliche von sechs bis 16 Jahren ein Euro. Sowohl das NaturForum als auch das Naturschutzgebiet bieten auch Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, die einzigartige Auenlandschaft kennenzulernen.
Aktuell gilt die 2G-Regel für das NaturForum, Veranstaltungen und Führungen.
Termin-Tipps
Wenn ihr die Bislicher Insel auch mal geführt erleben wollt, könnt ihr die tollen Veranstaltungen nutzen. Wie wäre es mit folgenden…
Freitag, 11. Februar, 15 bis 17.30 Uhr
„Jede Menge Wintergäste – Verschiedene Vogelarten entdecken“
Jedes Jahr im späten Herbst kommen große Scharen Gänse aus der Arktis an den Niederrhein - tausende Blässgänse und Weißwangengänse verbringen hier den Winter. Aber nicht nur sie werden durch die milden Winter hierher gelockt; auch andere Vogelarten wie beispielsweise Rothalsgans, Gänsesäger oder Zwergsäger kann man gelegentlich entdecken. Bei dieser Exkursion geht es auf die Suche nach den häufigen und weniger häufigen Wintergästen
Anmeldung bis zwei Tage vor der Veranstaltung unter 02801-988230. Start ist das RVR-Naturforum Bislicher Insel, Tickets für Erwachsene kosten fünf Euro und Kinder drei Euro.
Samstag, 12. Februar, 12 bis 16 Uhr
„Fotowanderung Auenbilder – Tolle Motive auf der Bislicher Insel“
Die einzigartige Auenlandschaft der Bislicher Insel bietet Fotografinnen und Fotografen unzählige spannende Motive. Die reiche Tierwelt mit zahllosen Vogelarten, die üppige Vegetation mit ihren farbenfrohen Blüten und knorrigen Kopfbäumen und nicht zuletzt die Landschaft, die sich im Wechselspiel der Jahreszeiten stets in neuem Lichte präsentiert laden dazu ein, mit den Mitteln der Fotografie festgehalten zu werden. Folgt dem Fotografen des NaturForums Christoph Sprave auf einem Streifzug durch das Naturschutzgebiet Bislicher Insel und entdecket mit ihm gemeinsam schöne Motive, die es lohnt, abgelichtet zu werden.
Mitbringen: Systemkamera, Standardzoom und Teleobjektiv
Anmeldung bis zwei Tage vor der Veranstaltung unter 02801-988230. Start ist das RVR-Naturforum Bislicher Insel, Tickets für Erwachsene kosten 15 Euro.
Samstag, 5. März, 13 bis 15 Uhr
„Arktische Wildgänse – Die Faszination arktischer Wildgänse erleben“
Das NaturForum machen einen Spaziergang dorthin, wo die wilden Gänse rasten. In der Gänsesaison von November bis März ist das niemals gleich und immer anders. Welche Arten werden wir heute sehen? Wie verhalten sie sich? Wie sind die äußeren Bedingungen? Welche Fragen ergeben sich daraus? Kommt mit auf eine ca. 4 km lange Tour und erlebt ein Naturschauspiel der besonderen Art.
Mitbringen: Fernglas und wetterangepasste, winddichte Kleidung
Anmeldung bis zwei Tage vor der Veranstaltung unter 02801-988230. Start ist das RVR-Naturforum Bislicher Insel, Tickets kosten neun Euro und Kinder bis 16 Jahren in Begleitung sind kostenfrei.