Besondere Wanderrouten – Teil 7: Der Brachter Wald-Pfad im ehemaligen Munitionsdepot

16.05.2024

Schon sechs besondere Wanderrouten durfte ich euch vorstellen. Dabei ging es u.a. zum Sonnenkino-Wanderweg nach Schaephuysen, in den Dämmerwald nach Schermbeck oder zum Hasenpfad nach Rheinberg. Mein siebter Tipp führt mich heute nur 15 Minuten von meinem Wohnort entfernt – zum 5,2 Kilometer großen Rundwanderweg „Brachter Wald-Pfad“ ins ehemalige Munitionsdepot. Für mich ist diese Wanderroute eine beeindruckende Mischung aus Lost Place und Natur pur mit abwechslungsreichen und auch tierischen Momenten. Ihr dürft gespannt sein!

Farben
Container

Unser Startpunkt für die heutige Wandertour ist die Sankt-Barbara-Straße in Brüggen. Ihr fahrt am Campingplatz vorbei, immer weiter geradeaus, bis die Straße einen rechten Knick macht. Diesem folgt ihr auch und fahrt nach ein paar Metern geradeaus auf einen Zaun zu. Davor befinden sich ausreichend Parkplätze, die ihr bequem nutzen könnt.

Dann geht es durch ein Drehkreuz auf das ehemalige 1.250 Hektar große Munitionsdepot der britischen Rheinarmee. Zur besseren Orientierung findet ihr direkt am Anfang ein paar Hinweistafeln, die erste schon vor dem Drehkreuz. Hier wird erklärt, dass der Brachter-Wald-Pfad ein Rundwanderweg auf 5,2 km im Naturpark Schwalm-Nette ist, der zu den barrierearmen Wegen von Leichte.Wander.Welt gehört – also das ideale Wandererlebnis für Menschen mit und ohne Handicap. Insgesamt gibt es rund zehn barrierearme, leichte Wanderwege, die auch nach dem Kennzeichnungssystem „Reisen für Alle“ zertifiziert sind.

Aber das ist nicht der einzige Weg, den ihr hier auf dem Gelände nutzen könnt. Auf der nächsten Hinweistafel hinter dem Drehkreuz sind gleich vier verschiedene, farblich unterschiedlich gekennzeichnete Wege. Der Längste ist der weiße Weg mit rund 16 Kilometern, der blaue Weg ist 5,2 Kilometer lang, der rote 4,5 Kilometer und der grüne misst vier Kilometer.

Kleiner Geschichts-Exkurs

Auf den Schildern erfahrt ihr auch mehr zu den Hintergründen des Areals, zu den Besonderheiten und auch wieder etwas zur Tier- und Pflanzenwelt. Damit ihr wisst, worauf ihr euch freuen könnt, verrate ich euch schon ein paar Fakten und fange mit einem kleinen Exkurs in die Geschichte des Depots an. Das riesige Gebiet, auf dem ich gerade stehe, war nach dem 2. Weltkrieg von 1948 bis 1996 wie schon erwähnt ein Munitionsdepot der britischen Rheinarmee, übrigens das ehemals größte Munitionsdepot Westeuropas. Auf dem Gelände standen über 200 Hallen und es gab etwa 300 Lagerflächen zur Aufbewahrung von bis zu 45.000 Tonnen konventioneller Munition. Abgrenzt durch einen um die 20 Kilometer langen Zaun, gab es ein Netz aus 88 km Wegen, 15 km Schienen und vier Verladebahnhöfen.

Nachdem die Rheinarmee das Gebiet 1996 aufgegeben hat, kaufte die NRW-Stiftung 1998 zwei Drittel des Geländes und auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Viersen mbH ist heute Besitzer des im Jahre 2000 ausgewiesenen Naturschutzgebietes.

Natur pur – nicht nur für Wanderer

Die Umzäunung, die Straßen, die Splitterwälle, ein paar Schienen, Tore und Gebäude gibt es aber auch heute noch und sind stille Zeugen vergangener Militätzeit. Innerhalb des Zaunes entwickelte sich auf den trockenen Flugsandböden eine einzigartige Heidelandschaft, die noch eine kurze Zeit blüht, und in einem lichten Kiefernwald eingebettet ist. Zusätzlich bildete sich eine erstaunliche und vor allen Dingen vielfältige Tier- und Pflanzenwelt, auf die ich schon sehr gespannt bin. Zu den Besonderheiten zählen der Ziegenmelker, ein nachtaktiver Heidevogel, die Feldlerche und die Graue Glockenheide, die in Deutschland nur hier im Gebiet vorkommt. Auch über beeindruckende 600 Pilzarten sind Teil des Areals.

Unser erster Weg führt uns also durch das Drehkreuz, vorbei an den Hinweistafeln, zunächst auf einer Straße geradeaus. Allein sind wir nicht und um uns herum sind ein paar Radfahrer, Inline-Skater und Spaziergänger mit ihrem Hund, der hier angeleint werden müssen, unterwegs. Insgesamt 32 Kilometer umfasst das ausgebaute Rad- und Wandernetz. Gerade zum Fahrrad- und Inlinerfahren ist das hier auf jeden Fall die ideale Übungsstrecke… eine asphaltierte Straße, keine Autos und Ruhe.

Tierische Begegnungen

Nach ein paar weiteren Schritten geradeaus sehen wir einen Wegweiser und passieren das erste alte Gebäude, das mit ein wenig Graffiti verschönert wurde. Zusätzlich weisen uns übrigens farblich markierte Holzpfähle den Weg. Da wir den roten Weg bzw. den Brachter Wald-Pfad erwandern, orientieren wir uns folglich an den roten Markierungen. Bislang sind diese noch weiß. So ignorieren wir die ersten Abbiegemöglichkeiten und biegen erst links ab, als wir die erste rote Markierung an einem Holzpfahl entdecken. Im Grunde sehr einfach sich zu orientieren, da es auch an prägnanten Stellen auch wieder die uns schon von anderen Wanderungen bekannten kleinen Hinweisschilder vom Naturpark Schwalm Nette gibt.

Der Weg, den wir jetzt gehen, ist nicht asphaltiert und mit einer lichten Waldfläche umsäumt. Geradeaus sehen wir in weiter Entfernung plötzlich ein Pferd, wie ich später herausgefunden habe, ein Konik-Pferd, das in einem riesigen, eingezäunten Bereich gerade grast. Mit seiner beige-grauen Farbe integriert es sich perfekt in die Landschaft und ich musste zweimal hinschauen, bis ich erkannt habe, dass es sich tatsächlich um ein Pferd handelt. Die genügsamen Wildpferde wurden übrigens aus sehr ursprünglichen, dem Tarpan ähnlichen, polnischen Hauspferden gezüchtet, und beweiden gerne die Heidepflanzen.

Dann macht der Weg eine Rechtskurve. Man könnte theoretisch links abbiegen, aber überall, wo man den Weg nicht betreten soll, sind kleine Hindernisse aufgebaut, die darauf hinweisen, dass ab hier „Betreten verboten“ ist. Kaum gehen wir ein paar Schritte weiter, um dem Weg links weiter zu folgen, läuft vor uns, aber auch in sicherer Entfernung, eine kleine Herde mit Damhirschen vorbei. Und wenn mich nicht alles täuscht, weil es wirklich weit weg war, war auch ein weißer oder zumindest sehr heller Hirsch mit dabei.

Von der blühenden Heide bis zur Sandlandschaft

Beeindruckt von so vielen tierischen Sichtungen auf einmal, folgen wir dem Weg weiter. Rechts von uns sehen wir sogenannte Splitterwälle, die mit Heide bewachsen sind. Nach zwei weiteren Kurven kommen wir an einen schönen Aussichtspunkt mit einem tiefen Tal mit Heide und vielen anderen Pflanzen. Dieser lässt sich beim Vorbeispazieren direkt am Rand des Tals oder auf einer Bank in der Nähe genießen.

Jetzt führt uns der weitere Weg wieder auf eine Straße, der wir, laut rot markiertem Holzpfahl ein Stück folgen sollen. Zeit, um sich auch ein wenig umzuhören. Den verschiedenen Vögeln, die zirpenden Grillen und den Wind durch die Blätter rauschen zu hören. Dann müssen wir auch schon wieder links abbiegen und neben einer Hügellandschaft mit Heide eröffnet sich ein seltsamer Anblick – eine Sandlandschaft. Eine Hinweistafel erklärt, dass es sich um atlantische Sandlandschaften bzw. um die Wiederherstellung von Dünen im Naturschutzgebiet Brachter Wald handelt. Das Ziel dieses Projektes: Lebensraum für Dünenpflanzen und viele Tierarten wie z.B. die Zauneidechse oder Schlingnatter zu schaffen.

Immer geradeaus über eine alte Schiene, vorbei an Bäumen und Wällen eröffnet sich wieder ein tiefes Tal mit einer großen Heidelandschaft und einer weiteren Sitzgelegenheit. An den folgenden Holz-Wegweisern und einer riesigen asphaltierten Kreuzung geht es nun nach links und auch hier immer weiter geradeaus, bis wir die nächste Hinweistafel entdecken. Klettert man an dieser Stelle auf sich dahinter befindenden sandigen Hügel hoch, kann man ebenfalls das gerade schon passierte große Heidetal sehen. Ursprünglich gab es hier auch eine Aussichtsplattform, die vermutlich bald wieder errichtet wird. Passend zu dem, was das Tal bietet, verrät die Tafel mehr zur Heide, die durch Menschenhand und Weidetiere entstanden ist. Gleichzeitig erhält man weitere Informationen über das größte Munitionsdepot Westeuropas bzw. das Denkmal des „Kalten Krieges“.

Lost-Place-Charme

Langsam neigt sich der Wanderweg dem Ende zu. Noch einmal geht es am Ende der Wälle nach rechts. Hier weist uns auch zusätzlich zu der roten Markierung das Hinweisschild vom Naturpark Schwalm Nette den Weg.  Ein paar Meter weiter entdecken wir auf der linken Seite im Wald zwei Bunker oder Unterstände, die ich mir unbedingt von der Nähe bzw. von hinten anschauen muss – Lost Place-Charme pur. Seitdem wir diesen Teil der Route betreten haben, begleitet uns im Übrigen der schon erwähnte fast 20 Kilometer lange Zaun ein Stück bis wir am nächsten ungewöhnlichen Ort ankommen – dem Depot-Kultur-Sportplatz. Bunte Betonpfähle und Bänke laden zum Nutzen dieses Platzes ein. Dann erreichen wir auch schon wieder die „Hauptstraße“, die uns rechts wieder zum Ende des Geländes und zum Auto führt.

Was mir am besten gefallen hat?

Das Naturschutzgebiet ist einfach so facettenreich und einzigartig und auch der Charme des verlassenen Depots faszinieren mich. Ich freue mich schon auf meine nächste kleine Wanderung und nutze dann auf jeden Fall die anderen Möglichkeiten, das Gebiet zu erkunden. Insgesamt gibt es auf dem riesigen Areal übrigens sechs Eingänge.

Wenn ihr einen längeren Aufenthalt in dem Gebiet plant, kann ich euch noch die nahegelegenen und ebenfalls sehr sehenswerten Naturerlebnisgebiete Krickenbecker Seen und das Elmpter Schwalmbruch inklusive der Gastronomie empfehlen.