Auf den Spuren einer Künstlerfamilie im Begas Haus
Endlich darf man wieder Museen besuchen! Zumindest dort, wo es der Inzidenz-Wert erlaubt und mit vorheriger Terminbuchung. Im Begas Haus in Heinsberg geht es am kommenden Sonntag, 14. März, wieder los. Für diesen Tag und für den 21. März, könnt ihr ganz einfach telefonisch Termine buchen. Was euch im Begas Haus erwartet? Ihr könnt euch nicht nur auf zehn spannende Themenräume auf zwei Ebenen freuen, sondern auch die bundesweit größte Begas-Sammlung sowie die Regionalgeschichte Heinsbergs entdecken und das mit zahlreichen Medienstationen mit Hör- und Touchfunktion. Aber wer waren die Begas überhaupt und was haben sie mit Heinsberg zu tun? Diesen Fragen gehe ich heute mal auf den Grund…
Bei meinen Ermittlungsarbeiten werde ich von Museumsleiterin Dr. Rita Müllejans-Dickmann unterstützt, die uns sogar eine exklusive Führung durch das Begas Haus noch vor den eigentlichen Öffnungszeiten ermöglicht – deswegen tragen wir keine Masken und halten den nötigen Sicherheitsabstand. Das Museum ganz für sich allein zu haben, ist schon was besonders und ich freue mich schon, mehr über die Geschichte von Carl Joseph Begas und seiner Familie zu erfahren.
Digitale Ahnensuche & Co.
Bevor wir aber die Räume erkunden, erklärt mir Rita mehr über die Anfänge des Begas Haus. „Als Kreisheimatmuseum 1929 gegründet, haben wir nach mehrjährigen Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten im März 2014 mit einem innovativen Präsentationskonzept das Begas Haus neu eröffnet. Wir sind zertifiziert barrierefrei und jeder Raum hat sein eigenes Farbkonzept. Zusätzlich haben wir zahlreiche Medienstationen mit Hör- und Touchfunktion installiert“, erklärt Rita. In dem modernen Eingangsbereich im neuen Trakt, in dem wir gerade stehen, befinden sich auch direkt die ersten beiden Stationen.
Neben einem digitalen Gästebuch, in dem ich mich auch gleich noch eintragen werde, fällt mir besonders das Bürgerbuch der Stadt Heinsberg von 1726 bis 1794 ins Auge. „Da der Zustand des Buches sehr schlecht ist, haben wir das Werk vollständig digitalisiert und durchsuchbar gemacht. So kann jeder auf Ahnensuche gehen und in der einzig erhaltenen Quelle zu den innerstädtischen Verhältnissen in früheren Jahrhunderten stöbern und forschen“, ergänzt Rita.
Die gute Stube von Heinsberg
Auf dem Weg in den ersten Raum passieren wir eine riesige Karte von Heinsberg im Jahre 1730, die zeigt, dass Heinsberg nicht nur eine Stadtummauerung, sondern auch eine wichtige Lage im Mittelalter hatte. Quasi durch die Karte hindurch, geht es ein paar Stufen hinunter in die gute Stube anno 1794 von Heinsberg. „Wir starten unsere Zeitreise kurz vor dem Geburtsjahr von Carl Joseph Begas als die Eltern Zuflucht vor den herannahenden französischen Revolutionstruppen beim Onkel, ein bedeutender Geistlicher in Heinsberg gesucht haben. Sein Zuhause bzw. das eines Geistlichen mit seinem Rang haben wir hier rekonstruiert“, führt uns Rita durch den Raum. „Ein Leitmotiv ist hier aber ein kleines Öl-Gemälde von 1851, das der älteste Sohn von Carl Joseph Begas, Oscar im Alter von 21 Jahren auf einer Reise gemacht hat. Es zeigt eine Ansicht von der Propsteikirche St. Gangolf. Das Besondere: Direkt neben der Kirche sieht man die einzige Ansicht von der Zehntscheune, die erste Münzprägestätte der Herren von Heinsberg, die drei Jahre nach der Malerei abgerissen wurde.“
Im nächsten kleinen Raum, geht es um die Inszenierung des Geburtstages von Carl Joseph Begas, denn just in dem Moment der Taufe – früher wurde man am Tag seiner Geburt getauft – schlug die erste Kanonenkugel der französischen Truppe in den Kamin der Wöchnerin. „Mit entsprechender Audioatmo haben wir diesen Moment eingefangen und es gab sogar einen Eintrag ins Taufbuch, den wir hier an der Wand verewigt haben“, erklärt Rita.
Die Wurzeln der Familie Begas
„Damals fragte man sich dann, was soll aus dem Jungen wohl werden, bei diesem Start ins Leben. Dass aus Carl Joseph Begas einer der wichtigsten Künstler des 19. Jahrhunderts wird, ahnte da noch niemand.“ Höchste Zeit, mehr über die Familie Begas zu erfahren und genau das, ist im nächsten Raum möglich. Mit Möbeln aus der Biedermeier-Zeit, kleinen Sammeltassen, jeder Menge Familienbilder an den Wänden und einem großen, blattvergoldeten Tisch mit interaktiven Elementen, in dem man sich den Begas-Stammbaum ganz genau anschauen kann, fühlt man sich fast so, als ob man bei der Künstlerfamilie zu Hause zu Gast ist.
„Hier geht es um die Wurzeln der Familie Begas und die weitere Bedeutung dieser Familie in und für Heinsberg. Carl Joseph hatte zehn Kinder, zwei wurden tot geboren, sechs Jungs und zwei Mädchen, die schon früh an einer Lungenkrankheit starben“, erklärt mir die Museumsleiterin. „Man sieht auf dem großen Familienportrait hier vorne von 1821 die Eltern und Geschwister von Carl Joseph und hier hinten sind die Portraits seiner Kinder und seiner Ehefrau“, führt mich Rita durch die Ahnengalerie. „Die komplette Künstlerdynastie, die über vier Generationen hinweg in der Bildhauerei und in der Malerei die deutsche Kunstgeschichte massiv geprägt hat, umfasst zehn Künstlerpersönlichkeiten. Im weiteren Verlauf unsere Führung wirst du auch die Werke der anderen kennenlernen.“
Besonders ins Auge fällt mir hier allerdings ein riesiger Kronleuchter. „Das ist mein persönliches Highlight hier in diesem Raum. Viele träumen ja von dem berühmten Rembrandtfund auf dem Dachboden, das war meiner“, lacht Rita. „Der Original Leuchter nach einem Entwurf des berühmten Baumeisters Karl Friedrich Schinke von 1830 wurde im Heizungsraum der Kreisverwaltung gefunden und anschließend restauriert. Es gibt weltweit nur noch ein erhaltenes Exemplar und das haben wir.“ Wahnsinn, welche Geschichten hinter dem ein oder anderen Objekt stecken.
Ein Stück Heinsberger Geschichte
Bevor wir die nächsten Räume entdecken, erfahre ich, dass wir uns gerade auf historischem Grund befinden, auf dem schon der Großvater von Carl Joseph gewandelt ist. Hier war er als Amtsverwalter für den Kurfürsten tätig. Die original Erkennungsurkunde zeigt Rita mir im nächsten Raum in einer Schublade, die der Besucher nicht nur hier, sondern auch an vielen anderen Stellen im Museum selbstständig aufziehen und den Inhalt entdecken kann. Aber nicht nur der Großvater als Jurist hat das gesellschaftliche Leben im Heinsberger Raum mitgeprägt, auch weitere Mitglieder der Begas-Familie waren über mehrere Generationen als Geistliche, Ärzte und Co. bekannt.
Etwas mehr über das damalige Heinsberg erfahren wir jetzt in den nächsten Räumlichkeiten. Gezeigt wird eine kleine Sammlung der Kirchengeschichte mit einem Relikt eines romanischen Taufsteins, gotischen Bodenfliesen und prachtvollen Goldschmiedearbeiten aus dem Kirchenschatz von St. Gangolf. Auch hier gilt: Schubladen öffnen erlaubt! Weitere spannende Exponate warten hier darauf, von euch entdeckt zu werden.
Spannend geht es auch weiter, denn ich begebe mich auf eine kleine Zeitreise in die frühe Stadtwerdung. Das Highlight hier: ein großer Münzschatz, der bei Kanalarbeiten entdeckt wurde. Aktuell ist dieser zwar an ein anderes Museum verliehen, aber man kann sich die Münzen digital anschauen. „Der komplette Schatz umfasste rund 800 Gold- und Silbermünzen, die wir alle vorab zählen und dokumentieren mussten. 25 Stunden saß eine Mitarbeiterin an dieser Arbeit, denn oftmals waren die Münzen auch so dünn, dass sie aneinander klebten“, verrät Rita.
Schafft ihr die Aufnahmeprüfung?
Auf dem Weg in die erste Etage erzählt mir Rita, dass wir leider einen kleinen Raum nicht sehen können, da durch Bauarbeiten in der Nachbarschaft ein Riss in diesem entstanden ist. Hier hang wohl auch die Lorelei, die Carl Joseph Begas gemalt hat, aber die in Sicherheit gebracht werden musste. Eine verständliche Sperrung, denn auch die Sicherheit der Besucher geht vor. Dafür wird es aber in dem Raum davor umso interessanter. „Hier geht es um die Ausbildung des Künstlers. Damals gab es noch keine Kunstakademie in Düsseldorf und so führte der erste Weg des Künstlers nach Paris oder er suchte sich einen Lehrer in einem der Ateliers“, erklärt mir Rita den früheren Werdegang von Carl Joseph Begas, aber auch eines jeden anderen Künstlers. Mein Highlight in diesem Raum – eine interaktive Staffelei. Hier könnt ihr u.a. mehr über die Technik erfahren und sogar selber eine Aufnahmeprüfung ablegen. „Fünf Aufgaben müssen in einer bestimmten Zeit bewältigt werden, eine davon ist das Nachzeichnen des Borghesischen Fechters direkt hier vorne. Es geht um Geschicklichkeit, Genauigkeit und Kreativität“, erklärt mir Rita den Ablauf. Das probiere ich beim nächsten Besuch auf jeden Fall aus, mal sehen, ob ich es in die Bestenliste schaffe.
Die Heinsberger Mona Lisa
Langsam nähern wir uns den Werken von den Söhnen von Carl Joseph Begas – Reinhold und Carl, dem Jüngeren. Aber als erstes fällt mir ein Werk ganz am Anfang auf – die Heinsberger Mona Lisa, wie Rita das Portrait von Carl Joseph Begas nennt, auf dem er Fanny Mendelssohn, eine bekannte Komponistin der Romantik, verewigt hat. Gleich vor dem Gemälde befindet sich wieder eine interaktive Station mit der echten Mona Lisa als Vergleichsobjekt. Klickt man sich durch, erfährt man mehr über die Maltechnik, Ähnlichkeiten und weiteren Besonderheiten. „Wir dosieren für den Besucher die Informationen auf unterschiedliche Art und Weise: mit Kurztexten an Bildern, größeren Wandtexten und auch interaktiv kann man in verschiedene Ebenen vordringen.“ So entdeckt man auch in mehrmaligen Besuchen immer etwas Neues. Etwas versteckt, befindet sich hier auch ein kleines Kino mit echten Kinostühlen, in dem man mehr über die Vorbilder von Carl Joseph Begas erfährt.
Die Genese der Winzerfamilie
Habt ihr schon mal gesehen, wie ein Kunstwerk entsteht? Ich bisher noch nicht und finde diese Entwicklung echt spannend. „Zuerst hat Carl Joseph eine kleine Studie in Öl gefertigt, im gleichen Jahr dann eine Kreidezeichnung davon gemacht, und drei Jahre später, 1850, das finale großes Ölgemälde gemalt. Das Bild zeigt eine Winzerfamilie und hat sogar autobiographische Züge, denn auch Carl Joseph war ein Familienmensch“, erzählt mir Rita. „Ich bin froh, dass wir die Genese dieses Werkes zeigen können, denn als wir das Gemälde auf einer Auktion ersteigern wollten, haben wir leider den Zuschlag nicht bekommen. Erst als wir es auf einer Kunstmesse wiedergefunden haben, habe ich es direkt reservieren lassen und Gelder gesammelt.“
Weitere Werke der Begas-Familie
Nur ein paar Schritte weiter sehen wir auch endlich die Skulpturen von den Söhnen von Carl Joseph Begas – Reinhold und Carl, dem Jüngeren. „Hier haben wir uns ein eigenes kleines Forum Romanum mit zwei Hörstationen geschaffen. Das Besondere hier, eine weitere Genese: Der unversehrte Entwurf einer Skulptur von Reinhold Begas aus ungebranntem Ton – eine absolute Seltenheit,“ weiß Rita. „Und hier vorne siehst du eine Portraitmalerei von Ottmar Begas, die dritte Generation und Sohn von Carl, dem Jüngeren. Er verstarb 1931.“
Kunst für Jedermann
Ein Stockwerk tiefer geht es um Merchandise-Artikel von Begas, um es etwas platter zu formulieren. Denn Kunst war zur damaligen Zeit nicht für jeden erschwinglich. Mit Begas-Motiven auf Tellern, Pfeifen und sogar Zigarettenetuis konnte man sich so trotzdem ein Stück Kunst nach Hause holen. Anders ist es heute ja auch nicht. Wenn ich an die berühmte Tomato Soup von Andy Warhol denke, die es in allen Farbvarianten und Ausführungen sogar mittlerweile auf Socken gibt.
20 Jahre auf der Suche
Der letzte Raum im preußischen Blau zeigt Auftragsarbeiten für das Königshaus, auch von Carl Josephs Sohn Oscar… aber ein Bild übertrumpft einfach alles hier, was nicht nur an dem XXL-Format liegt. „Das ist mein absolutes Lieblingsbild – die Apothese der Tänzerin Fanny Elßler von 1832, die Carl Joseph Begas bewundert und gemalt hat“, schwärmt Rita. „Das Bild habe ich zwanzig Jahre lang gesucht. Ich hatte von diesem Bild gelesen und erst nur vermutet, dass es das wirklich gibt. Ich habe es damals dann in einer Tanzakademie in Washington gefunden. Leider kam mein Anruf drei Tage zu spät, sie hatten es kurz vorher verkauft. Auf einer Auktion habe ich es dann wiederentdeckt und konnte es dank der Ernst von Siemens Kunststiftung direkt kaufen.“ Wie schön, dass am Ende alles geklappt hat und solch ein bedeutendes Werk hier im Begas Haus zu sehen ist. „Das Bild hat nahezu eine therapeutische Wirkung, denn jeder, der sich das Werk anschaut, muss lächeln. Was das Besondere an dem Bild ist, verrate ich euch an dieser Stelle aber nicht, das könnt ihr bei einer der Führungen, die seit Oktober wieder für maximal fünf Personen angeboten werden, selber herausfinden.
Bevor meine Führung zu Ende ist, verrät mir Rita noch, dass es bald wieder Sonderausstellungen und mehr über die Bildhauerin Astrid Begas, die vierte Generation der Künstlerdynastie, zu sehen gibt. Sie hat allerdings auch für das sozialistische Regime gearbeitet hat und deswegen muss dieser Themenbereich besonders sensibel aufgearbeitet werden. Ich bin gespannt und freue mich schon auf meinen nächsten Besuch… es gibt ja noch so einiges zu entdecken.
Gut zu wissen
Ihr wollt das Begas Haus in Heinsberg auch besuchen? Hier noch weitere Infos: Erwachsene zahlen fünf Euro Eintritt pro Person, Kinder und Jugendliche bis 12 Jahren haben freien Eintritt sowie Schüler aus dem Kreis Heinsberg mit Schülerausweis. Gruppen ab 10 Erwachsenen erhalten Zutritt für nur drei Euro pro Person.
Geöffnet ist das Begas Haus Dienstag bis Samstag von 14 bis 17 Uhr und Sonntag von 11 bis 17 Uhr, montags ist geschlossen.
Ihr braucht eine kleine Kunst-Pause? Direkt nebenan befindet sich das Museumscafé Samocca, eine Einrichtung der Lebenshilfe Heinsberg e.V., das neben sozial fair gehandelten internationalen Kaffeespezialitäten aus der eigenen Rösterei auch hausgemachte Kuchen und kleine Speisen anbietet. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr.
Mehr über das Begas Haus findet ihr hier: